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Labels

Labels.
Wie schon sichtbar wurde, nutze ich Label. Viele relationship anarchists machen das nicht, und ich kann durchaus auch verstehen, warum. Allerdings finde ich, dass Label Kommunikation einfacher machen können, wenn man sie definiert - zumindest, wenn es notwendig ist. Beispielsweise, wenn man sich auf ein Label einigt für die Verbindung, die man hat.

Labels sind da, um Menschen bei der Kommunikation zu helfen und es leichter zu machen. Sie sind da, um Menschen dabei zu helfen, ähnliche Menschen zu finden, eine community zu finden, ein einfaches Wort für das Ding zu haben. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit,das Wort zu definieren. Nicht einmal, wenn es weit verbreitet genutzt wird.
Polyamorie bedeutet nicht das gleiche für jeden, der sich als polyamorös identifiziert. Das gleiche gilt für Monogamie, Freund, Partner und was auch immer sonst. Sogar für Liebe. Eltern. Familie. Label sind ein einfaches Werkzeug, um etwas zu beschreiben, ohne es definieren zu müssen, und jeder Mensch hat ein Bild dazu im Kopf, das aber nicht zwangsläufig deinem eigenen gleicht oder gar dazu passt. Daher muss man, um darüber zu sprechen, es erstmal wirklich definieren. Erzählen, was man damit meint, und zuhören, was andere meinen, wenn sie es nutzen, wie sie es wahrnehmen. Manchmal ändern sich die Bedeutungen von Labeln auch, weil sich Menschen verändern. Ihre Blickwinkel ändern sich, und mit diesen oftmals auch ihre Ansichten und daher auch Label.

Labels sind schnell verwirrend, weil Menschen so viel cultural baggage mit ihnen verbinden, oft ohne es zu wissen. Sie haben ihre eigenen Bilder dazu im Kopf, und oftmals vergessen wir Menschen, dass andere Menschen andere Dinge mit diesen Labeln verbinden. Labels können leicht einschränken. Wenn sie nicht mehr benutzt werden, um Dinge zu beschreiben, sondern ein Schema werden, wie etwas auszusehen hat, fühlt es sich für mich eher schädlich an. Es geht dann nicht mehr länger um die Menschen, oder was sich für sie richtig anfühlt, sondern um ein bestimmtes Bild, das erfüllt sein muss. Wenn Label präskriptiv werden, hilft es Menschen nicht mehr länger zu kommunizieren oder in Verbindung zu treten. Stattdessen gibt es nun eine Box, die einfach nicht passt - entweder, weil sie viel zu groß ist und gar nicht gefüllt werden kann, oder weil sie zu klein ist, um alles zu fassen. Für mich fühlt sich das vollkommen falsch an.

Nur, weil es cultural baggage gibt, der mit vielen Labeln kommt, bedeutet das nicht, dass jede einzelne Verbindung, die dieses Label trägt, auch alle Dinge aufweisen muss, die dieses Label kulturell impliziert.
"Wir daten jetzt, also müssen wir Sex haben." -- Nein. Nein.
"Wir haben Kinder, also können wir die Beziehung nicht beenden." -- Was zur Hölle?
Gleiches gilt für jene Dinge, die kulturell an ein bestimmtes Label geknüpft sind: Nur, weil man eine Checkliste abhaken kann, heißt das nicht, dass das Label passt.
"Ich bin schwanger, wir müssen heiraten." -- Nein.
"Wir hatten einige Male Sex, also müssen wir nun eine feste Beziehung miteinander haben." -- Auf keinen Fall.

Zunächst einmal sollte sich auf Label geeinigt werden. Es geht um consent. Ich sage definitiv nicht, dass ich Label nie benutzt hätte, ohne vorher zu fragen. Und es passiert noch immer, aber ich denke nicht, dass es richtig oder okay ist. Ich sage nur, dass es durchaus vorkommt, weil wir Menschen so daran gewöhnt sind, Label für alles zu benutzen und Beschreibungen deutlich komplizierter sind, als einfach kurz ein Label zu nutzen, das mehr oder weniger passt. Nichts desto trotz sollte man sich dem bewusst sein und darauf achten, um es zu minimieren - auch das hat mit Respekt zu tun.
Ich persönlich würde sagen:
Um ein Label zu nutzen, um eine gemeinsame Beziehung zu beschreiben, reicht es aus, sich mit diesem Menschen auf ein Label mit Definition zu einigen. Also darüber zu sprechen, was dieses Label für die Beteiligten bedeutet, und welche Erwartungen und Bedürfnisse damit einhergehen, und zu entscheiden, dass es in dieser Form passend ist.
Um eine Verbindung zu beschreiben, bei der sich bereits auf ein Label geeinigt wurde, ist kein Problem und braucht nicht zwangsläufig definiert werden, solange es nicht wichtig ist, ob die Menschen, mit denen man spricht, vielleicht ein (sehr) anderes Bild dazu im Kopf haben und entsprechend möglicherweise etwas vollkommen anderes verstehen.
Label zu benutzen für Menschen, mit denen man sich nicht darauf geeinigt hat, dass es passend ist, ist mindestens fragwürdig und definitiv ohne consent. Es mag der eigenen Definition entsprechen, aber sie könnten nicht wollen, dass dieses Label für sie benutzt wird, oder die eigene Wahrnehmung entspricht nicht ihrer, oder was auch immer. Es ist nicht wichtig, ob man über eine Verbindung spricht, die man selbst zu ihnen hat, für die sich noch nicht auf ein Label geeinigt wurde, oder eine Verbindung, in die man nicht einmal direkt involviert ist - Label zu nutzen, auf die sich nicht geeinigt wurden bzw. für die keine Erlaubnis besteht, sie zu nutzen, ist nicht in Ordnung.
Trotzdem sollten Label deskriptiv sein. Sie sollten sich richtig für jene anfühlen, die damit beschrieben werden und für Veränderungen offen bleiben. Sie sollten bei der Kommunikation helfen und niemanden in einer Position gefangen halten, in der er sich nicht (mehr) wohl fühlt oder die er nicht mehr haben will. Ich glaube, das wichtigste bei Labeln ist, dass sie nicht präskriptiv werden, sondern immer deskriptiv genutzt werden. Dass sie nicht festgelegt sind, sondern sich ändern dürfen. Sowohl die Label selbst, als auch ihre Definition. Daher müssen sie aber auch definiert werden, es muss darüber gesprochen werden, immer wieder neu definiert. Manchmal müssen sie weggeworfen werden, sogar wenn sich nichts geändert hat, und manchmal können sie bleiben, auch wenn sich alles verändert hat. Label sind das, was aus ihnen gemacht wird, aber sie vermitteln auch eine Menge kultureller Assoziationen, cultural baggage. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich dessen bewusst ist, wenn man Label nutzt. Sie können sehr viel daran ändern, wie man selbst und seine Beziehungen wahrgenommen werden, und auch wie die Menschen in diesen Beziehungen sich aufeinander beziehen. Das ist Teil dessen, wie das menschliche Hirn funktioniert und dadurch schwer, einfach zu überkommen.

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