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Liebe

Liebe ist etwas besonderes, ja.
Sie ist dabei aber keine Rarität. Und sie wird oft so unglaublich doll aufgebauscht, dass wir das, worum es dabei eigentlich geht, gar nicht mehr sehen können. Da sind dann immer sofort noch Erwartungen, und Rollen und tausend andere Dinge mit verknüpft, sodass wir gar nicht mehr darüber sprechen können, ohne direkt all diese Konstrukte darum mitzudenken. Dabei gehören sie gar nicht dazu.

Nur weil ich jemanden liebe, muss ich keine Beziehung mit Mensch führen.
Nur weil ich jemanden liebe, muss ich Mensch nicht nah sein.
Ich muss Mensch nicht küssen wollen, oder Sex mit Mensch haben. Ich muss nicht mit Mensch zusammen wohnen, oder eine gemeinsame Zukunft anstreben. Geschweige denn Kinder, oder gemeinsame Anschaffungen. Ich muss Mensch das nicht einmal sagen wollen. Ich muss nichts an der Art der Verbindung ändern wollen, nur weil da plötzlich noch diese Liebe im Spiel ist. Ich muss nicht klammern, oder Besitzansprüche entwickeln. Ich muss es nicht totreden oder ständig zum Thema machen. Ich muss nichts haben.
Ich muss nicht unglücklich sein, wenn diese meine Liebe nicht erwidert wird. Ich muss nicht eifersüchtig sein. Ich muss nicht fies werden oder Mensch sein Glück nicht gönnen, nur weil ich nicht auf diese Art Teil davon sein darf. Ich muss nicht einmal überhaupt Teil davon sein. Ich brauche keine besondere Position, oder Bestätigung, oder Erlaubnis, um lieben zu können.

Liebe ist erstmal ein Gefühl. Es existiert in mir, und richtet sich auf eine Person. Es tut nichts, es ist einfach da. Es fühlt sich schön an, jedenfalls für mich, und macht mich glücklich. Am Ende ist es ein Kompliment von mir an mein Gegenüber, weil ich es so wundervoll finde, dass sich Liebe entwickelt.
Daraus muss sich aber nichts ergeben. Daraus folgt nicht zwangsläufig irgendein Schluss. Liebe kann einfach, so wie sie ist, für sich existieren. Sie braucht nicht mehr. Da sind dann keine Erwartungen. Ich will nichts von dir, nur weil ich dich liebe. Du musst mir nichts geben, und daran ändert sich nichts, nur weil ich dich liebe.

Natürlich ist es schön, wenn Liebe erwidert wird.
Sicherlich ist es wundervoll, wenn daraus eine Beziehung erwächst, die für alle Beteiligten gut und erfüllend ist. Auch ich habe Wünsche und Hoffnungen, wenn ich liebe. Aber das bedeutet nicht, dass ich erwarte, dass es auch so kommt. Oder dass sich etwas ändern muss. Es kann doch ebenso bleiben, wie es ist, wenn das genau das ist, was für uns richtig ist.

Liebe mit all diesen Dingen zu belasten, macht sie in meinen Augen kaputt. Sie ist etwas schönes und angenehmes, so für sich, und anstatt sie zu genießen, wird sie von Erwartungen erdrückt. Und diese Erwartungen machen oftmals Angst, weil das, was so da dran hängt, vielleicht mal gar nicht das ist, was Mensch gern hätte. Und dann scheint der einzige Ausweg, sich der Liebe ganz zu verschließen, sich ihr zu verweigern - dabei kann die Liebe doch gar nichts dafür.
Es ist nicht Liebe, die dort verunsichert und dazu führt, dass Menschen leiden. Es sind die Erwartungen, die daran geknüpft sind. Dass Liebe alles überstehen kann. Alles überwindet. Dass Mensch nur genug lieben müsste, dann würde schon alles werden. Aus Liebe folgt entweder Herzschmerz oder eine Beziehung, was anderes geht nicht. Und dann aber auch direkt mit Kindern, und Haus, und was auch immer noch. Warum? Können wir nicht einfach das genießen, was gerade ist?
Liebe muss nicht immer all das andere sein. Sie kann auch ganz für sich allein stehen. Ich fände schön, wenn Liebe wieder als das gesehen würde, was sie ist - in ihrer Reinform, ohne all das cultural baggage dabei. Als Kompliment. Als schön. Als ein Startpunkt, von dem aus darüber geredet werden kann, wie Menschen zueinander stehen wollen. Wie das ausgelebt werden mag. Wie es sich äußern soll. Ohne Ansprüche und Erwartungen, entsprechend ohne Angst und Verweigerung.

Es wäre schön, wenn Liebe weg kommen würde von dem Egoismus, der mit ihr einhergeht, und hin zu einem Bild, in dem der geliebte Mensch im Mittelpunkt steht. In dem es wirklich wieder um den Menschen geht, der geliebt wird, in dem es einfach ein Kompliment ist. Denn sobald es mit Erwartungen und Ansprüchen einher geht, ist es letztlich nicht mehr nach Außen gerichtet. Es geht nicht mehr um den anderen, sondern um mich. Egozentrisch stelle ich mich in die Welt und weil ich dich liebe, erwarte ich nun Dinge von dir. Habe Ansprüche an dich. Und wenn du diese nicht erfüllst, können wir nicht mehr in Kontakt bleiben.
Hört sich ziemlich scheiße an, so direkt gesagt. Aber letztlich, so mein Gefühl, läuft es darauf hinaus. Und das ist scheiße. Das will ich nicht. So fühle ich auch nicht.

Ich liebe.
Aber wenn ich liebe, dann geht es nicht um mich. Dann erwarte ich nicht, dass du eine Position füllst. Oder habe Ansprüche an dich.
Wenn ich liebe, dann will ich vor allem, dass es dir gut geht.
Aber ich will auch, dass es mir gut geht. Und so wertvoll und schön Liebe auch ist, sie ist keine Rarität. Sie ist es nicht wert, mich oder meinen Lebensstil dafür zu opfern. Mich zu verbiegen. Dich zu verbiegen. Eine Beziehung zu führen, die uns nicht gut tut. Oder dir. Oder mir. Geschweige denn, Dinge zu tun, die irgendwie erwartet werden, aber gar nicht gewollt sind.

Ich kann dich lieben und trotzdem nicht wollen, dass sich irgendetwas an unserer Verbindung ändert, unabhängig davon, wie sie aussieht. Ich kann dich lieben und den ganzen Rest wollen. In jedem Fall aber kann ich damit umgehen, dass du ein Mensch mit eigenen Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen bist, die möglicherweise nicht zu meinen passen, und dann so damit umgehen, wie es für uns beide am sinnvollsten ist.
Wichtig ist, sich klarzumachen, dass Liebe und der ganze Rest nicht untrennbar zusammen gehören. Und dass Liebe eben einfach nicht jedes Hindernis überkommt, sondern auch ungesund sein kann, wenn Mensch sich dabei an all den anderen Kram klammert.

Liebe ist nicht alles. Und schon gar nicht das wertvollste auf der Welt.
Sie ist so gehyped und gleichzeitig verstümmelt. Es ist traurig zu sehen. Und dabei liebe ich gern und viel. Mein Leben ist voll davon. Aber eben nicht mit Zwang belegt, was sehr viel ihrer Schönheit mindert, finde ich.
Lieben, in meinen Augen, heißt, den anderen in den Mittelpunkt zu stellen und gleichzeitig aber nicht sich selbst zu vernachlässigen. Das Glück, die Wünsche und Entscheidungen des anderen wichtig zu nehmen und zu respektieren, vielleicht wichtiger zu nehmen als die eigenen, aber ohne sich selbst dabei zu vernachlässigen oder gar aufzugeben. Für mich bedeutet sie eine Verbundenheit, die weder Ansprüche noch Erwartungen braucht. Aber eben auch nicht zwangsläufig andere Dinge mit sich bringt.

Aber es gibt andere Menschen, die es besser in Worte gefasst haben als ich.

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