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Warum Polyamorie? Warum Beziehungsanarchie?

Mir war schon sehr früh bewusst, dass mono einfach mal gar nichts für mich ist. Zu einengend, zu besitzergreifend, zu wenig Freiheit.
Nicht mehr mit Menschen in Verbindung treten zu können, wie es sich richtig anfühlt und ich es tun würde, wenn ich single wäre, nur weil da schon jemand vorher in mein Leben getreten ist, fühlte sich einfach nie richtig an.
Der Übergang von faktisch dennoch mono zu poly hat dann trotzdem noch relativ lange gedauert, auch, weil mein Umfeld mich lange nicht ernst genommen hat und ich keine Kontakte hatte in eine Welt, in der das funktioniert. Oder funktionieren könnte.
Als er dann kam, hab ich mich viel eingelesen, nach Kontakten gesucht und alles in mich aufgesogen. Mir war schnell klar, dass ich Polyamorie nicht in einer Weise leben wollte, die all diese Begrenzungen von Außen, die es in mono nunmal gibt, einfach übernimmt, nur mit mehr Menschen. Mir war auch schnell klar, dass ich zu Menschen Verbindungen eingehen wollte, die sich einfach richtig anfühlen, und für uns beide in diesem Moment passend sind, unabhängig davon, wer sonst noch da ist. Aber eben auch, ohne die Menschen, denen ich schon nah bin, aus den Augen zu verlieren oder am Seitenrand stehen zu lassen, bis sie mir wieder in den Sinn kommen.

Ich wollte commitment. Verbindlichkeit. Nähe. Wertschätzung. Liebevolle Zugewandtheit. Ich wollte vollwertige Beziehungen jeglicher Art, wie sie sich eben richtig anfühlen und entwickeln, so von allein, ohne von Außen auferlegte Grenzen. Ich wollte keine Hierarchien, oder geschlossene Netzwerke, oder Menschen, die mir reinreden können, in wieweit oder mit wem ich Verbindungen eingehen darf. Ich wollte einfach ganz natürlich Menschen begegnen. Ihnen wirklich begegnen, und sie nicht auf Abstand halten, oder aus vollkommen absurden Gründen wie Zeit Sonderstellungen verteilen. Ich wollte mit Menschen in Kontakt treten, nicht nur innerhalb klar definierter Strukturen agieren. Eigentlich wollte ich gar keine klar definierten Strukturen, weil die mehr einengen, als dass sie Raum zum Leben geben. Zum Sein. Und ich wollte sein. Wie ich bin, ohne Grenzen, die ich nicht selbst setze, und die in meinen Augen immer schon wenig Sinn gemacht haben.
Warum sollte es okay sein, mit einem Menschen auf diese Weise in Kontakt zu treten, diese Dinge zu teilen, wenn ich single bin, aber plötzlich ändert sich alles, nur weil ein anderer Mensch in meinem Leben ist, mit dem ich andere Dinge teile, wir uns vielleicht auch einfach nur darauf geeinigt haben, dass wir uns lieben, oder eine Beziehung miteinander führen wollen? Wo zur Hölle kommt der Unterschied her für die Verbindung zu diesem anderen Menschen, mit dem ich plötzlich nicht mehr alles teilen darf, was ich gern möchte? Das macht für mich in mono schon keinen Sinn, aber wenn ich dann auch noch zu mehr Menschen Verbindungen eingehen kann, dann wirklich gar nicht mehr. Warum auch?

Bei reddit habe ich dann letztlich auch das Konzept von Beziehungsanarchie gefunden. Und es hat einfach gepasst. Dinge natürlich entwickeln lassen. Mit Menschen in Verbindung treten, ohne dass vorherige Verbindungen Einfluss darauf haben. Keine Hierarchien. Die Möglichkeit, Dinge einfach zu nehmen, wie sie sind, ohne immer alles totlabeln zu müssen. Genau das teilen zu können, was man gerade mag, was sich gerade jetzt richtig anfühlt, ohne Erwartungen an morgen zu haben, ohne dass daraus direkt alles mögliche folgen muss, ohne dass eine Handlung tausend Dinge impliziert. Dass sich Dinge ändern können, Verbindungen sich ändern dürfen, ohne dass es immer gleich ein "alles oder nichts" sein muss. Wenn Label, dann bewusst gewählt und gemeinsam definiert, was man darunter versteht oder verstehen will - eben, was es für uns jetzt bedeutet.
Allgemein die Tatsache, dass Dinge genau das bedeuten, was man ihnen an Bedeutung zumisst, und das kommuniziert wird, nicht.. all diese Erwartungen und versteckten Bedeutungen.
Sicher, das bedeutet sehr viel Kommunikation. Es funktioniert nicht mit jedem Menschen. Man muss seine Erwartungen und Vorstellungen überprüfen und offen und ehrlich sein. Ständig reflektieren. Aber es macht, für mich jedenfalls, alles einfacher.

Am Ende lässt Beziehungsanarchie Raum dafür, dass sich Dinge ändern. Dass sich Menschen ändern. Und damit auch die Verbindungen, die wir haben (können). Veränderung ist wichtig und gut. Beziehungsanarchie konzeptualisiert für mich auch den Willen und die Möglichkeit, diese Veränderungen in mein Leben zu integrieren und Lösungen zu finden, anstatt Dinge und Menschen einfach "wegzuwerfen", die nicht mehr so passen, wie das vorher der Fall war. Es ist ein realistisches Konzept, das Raum für Leben bietet, und keine starren Strukturen erfordert.

Polyamorie und Beziehungsanarchie sind für mich untrennbar miteinander verbunden. Für mich persönlich geht das eine nicht ohne das andere. Warum ich mich dafür entschieden habe, bzw. warum es für mich passt, ist einfach, weil es mir die Freiheit gibt, die ich gesucht habe. Freiheit, mich natürlich zu verhalten und so zu sein, wie ich bin - egal, wer da gerade in meinem Leben ist. Freiheit, die Dinge zu nehmen, wie sie sind, und dafür dankbar zu sein. Freiheit, Menschen den Raum in meinem Leben zu geben, der sich gerade passend anfühlt. Es bringt mich zum Wachsen, und erfüllt mein Leben mit Glück. Es ist nicht immer einfach, und bestimmt nicht immer schmerzlos, aber es ist dennoch wundervoll.

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