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Halsband

Ich kann mich daran erinnern, schon in der Schule mein erstes Halsband getragen zu haben. Damals war mir kink zwar bekannt und ich hatte auch eine gewisse Faszination dafür, aber wirklich Erfahrungen oder Kontakt zur Szene hatte ich nicht. Ich katte kinks, über die ich mir bewusst war, und wusste auch, dass das vollkommen okay und "normal" war, weil es bei uns zur Aufklärung dazu gehörte. Aber die Menschen, denen ich nah sein wollte, fanden es nicht toll, wenn ich ihnen weh tat und wollten mir noch weniger weh tun.
Wirklich danach gesucht habe ich aber nicht. Vermutlich auch, weil ich doch das Gefühl hatte, mit mir sei etwas nicht in Ordnung. Auf Grund meiner Vergangenheit gar nicht so abwegig - ich war mir einfach nie sicher, ob das nun gesund ist, oder Ausdruck einer kranken und kaputten Psyche. So in meinem ganz persönlichen Fall.

Trotzdem habe ich mein Halsband getragen. Ich wollte es unbedingt haben, habe es besorgt, und dann dauerhaft getragen, weil es sich richtig anfühlte. Nicht als Zugehörigkeit zur Szene. Nicht um zu signalisieren, dass ich Bottom sei. Sondern als Ausdruck, nicht frei zu sein. Diese beständige Erinnerung hat mir sowohl ein erstes Stück Freiheit als auch eine erste, winzige Sicherheit gegeben. Es war mein Halsband und ich habe es nur für mich getragen.

Dieses erste Halsband habe ich nicht mehr. Ich trug es, bis es auseinander fiel und kaufte mir dann ein neues. Seitdem habe ich jedes einzelne aufgehoben, die allermeisten stehen in meiner Wohnung stolz zur Schau. Denn sie sind meine, Teil von mir und meiner Entwicklung.

Es müsste das dritte sein, das als erstes wirklich passte und nicht noch gekürzt und neu gelocht werden musste. Es ist auch das erste, das ich je von einem anderen Menschen bekommen habe. Das einzige, das ich mir nicht selbst ausgesucht habe. Das einzige, das aus meiner Sammlung heraus fällt und auch nicht dabei liegt. Ich bin nicht sicher, ob es einen Platz dort bekommen wird oder nicht. Es ist aus meiner ersten Beziehung, die auch kink beinhaltet hat. Es ist das erste Mal, dass ich ein Halsband getragen habe, das für mich gekauft wurde aber jemand anderem gehörte. Das erste Mal, dass es Zugehörigkeit ausgedrückt hat. Er ist der einzige Mensch, der je mein Halsband abgeschlossen hat.
Nach dem Ende dieser Beziehung habe ich, soweit ich mich erinnere, eine Weile kein Halsband getragen, sondern wieder Choker bzw. eng anliegende Lederbänder mit Anhänger. Es hat recht lange gedauert, bis ich mir wieder ein Halsband zugelegt habe.

Seitdem sind alle bis auf das letzte von anderen Menschen bezahlt worden. Sie haben Verbindungen zu einem anderen Menschen. Sie sind dennoch meine. Ich habe sie mir alle selbst ausgesucht, und sie waren immer bei mir. Die Verbindungen zu anderen Menschen sind unheimlich schwach und für mich beinahe bedeutungslos. Bis auf eines.
Wie ich vor etwa anderthalb Jahren schon wo anders schrieb, ist es für mich unheimlich wichtig, meine Freiheit zu behalten, autonom zu bleiben. Mich nur zeitweise in die Hände eines anderen Menschen zu geben und zu jeder Zeit genau zu wissen, dass ich es beenden kann. Dass es als Geschenk gesehen wird, nicht nur von meinem Gegenüber, sondern auch von mir. Dass ich kein Besitz bin und und nur mir allein gehöre, auch wenn ich für einen Moment entscheide, einem anderen gehören zu wollen. Ich bin kein Biest, das gezähmt werden muss; kein Sklave, der erzogen werden muss. Ich gehöre nur mir, und Zugehörigkeit ist etwas, das jeden Moment neu entschieden werden muss.
Deswegen war es immer wichtig, dass es mein Halsband ist und nicht das eines anderen für mich. Ab und zu trage ich es für einen anderen Menschen - aber auch dann in erster Linie für mich.

Das war etwa ein Jahr anders. Ich habe mich wohl gefühlt, das Halsband eines anderen Menschen zu tragen. Aber es war zugleich auch meines und uns beiden war bewusst, dass all die anderen Dinge immer noch zutreffen. Es war das erste Mal, dass es so ging, ohne dass ich mich dadurch eingeschränkt fühlte.

Seit August trage ich kein Halsband mehr. Es hat sich nicht richtig angefühlt. Es ist immer noch Teil von mir und ich freue mich, sie mit Stolz in meiner Wohnung auszustellen. Aber es passte jetzt lange nicht. Fühlte sich nicht richtig an.
Nachdem das letzte, das ich ständig getragen habe, dann nicht mehr eines war, das ich primär für mich getragen habe, und sich unsere Verbindung so geändert hat, dass es sich für mich nicht mehr richtig anfühlt, es zu tragen, und es auch beginnt, kaputt zu gehen, brauchte ich Abstand. Ich habe zwischendurch zu bestimmten Anlässen eines getragen, aber es hat sich nicht richtig angefühlt. Selbst dann nicht, wenn ich vermisst habe, eines zu tragen.

Heute Morgen bin ich aufgewacht und mir kam der Gedanke, wieder eines tragen zu wollen. Es fühlt sich wieder richtig an. Allerdings fühlt sich keines, das hier liegt, richtig an. Das einzige, das ich mir gekauft habe in den letzten Jahren, ist keines, das sich wirklich angenehm tragen lässt. Und auch wenn die anderen beiden nur mir allein gehören, will ich eines, das ich mir selbst geschenkt habe. Eines, das keine Verbindung zu einem anderen Menschen hat. Eines, das ganz allein mir gehört. Und das ich dennoch mit dem Gedanken an einen anderen Menschen tragen kann, wenn ich dies will.
Ich will ein neues Halsband. Und ich will es wieder ständig tragen.

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