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Sicherheit

Sicherheit ist illusorisch.
Nichts im  Leben ist sicher. Warum sollte es auch sicher sein? Dinge ändern sich, Menschen ändern sich. Nichts bleibt, wie es war. Wenn es ständige Veränderung gibt, und wir diese annehmen und als Teil der Wirklichkeit begreifen, kann nichts sicher sein. 

In der Regel kreiert Stabilität Sicherheit. Aber Stabilität ist auch fragil, und etwas, das den Auswirkungen von Veränderungen unterworfen ist. Manchmal sehen wir das nicht so sehr, manchmal werden die Veränderungen nicht so deutlich. Manchmal sind die Auswirkungen so klein, dass es nicht wirklich auffällt. Manchmal wollen wir es nur nicht sehen und halten dennoch an dem fest, was wir kennen - weil es Sicherheit verspricht.

Sicherheit bedeutet auch, dass es keine Gefahr bedeutet, man selbst zu sein und seinem Ich Ausdruck zu verleihen. Und auch wenn nicht jeder akuter Gefahr ausgesetzt ist, wenn er das tut, geht es doch immer mit einem gewissen Risiko einher. Nicht angenommen zu werden, verachtet, verletzt, vertrieben zu werden. Dass es doch nicht okay ist. Auch diese Dinge können sich ändern. Wirklich sicher ist es nie, auch wenn die Art und Schwere der Gefahr sich natürlich stark unterscheidet.

Sicherheit bedeutet, nicht um das eigene Wohlbefinden, das eigene Leben oder die Gesundheit fürchten zu müssen. Auch das ist illusorisch. Selbst wenn wir uns in einer der sichersten Städte bewegen, die es gibt, es keine Umweltkatastrophen gibt, ist es nicht sicher. Wir fühlen uns vielleicht sicher (oder auch nicht), aber Dinge passieren. Es geht nicht immer alles magisch an uns vorbei, und meist haben wir keinen Einfluss darauf, was um uns herum passiert. Betroffen sind wir dennoch. Das bedeutet nicht, dass wir uns nicht sicher fühlen dürfen - aber es ist gut sich darüber bewusst zu sein, dass es eben auch keine Garantie ist.

Ich will nicht in einer Illusion leben. Ich will mich nicht von Illusionen blenden lassen, auch wenn es einfacher ist. Selbst wenn es angenehmer ist. Ich will nicht da stehen, und plötzlich bricht alles um mich zusammen, weil meine Illusion wichtiger war und irgendwann nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Ich will die Wahrheit, auch wenn sie schwer ertragbar ist. Ich will Veränderung, und die Instabilität, die damit einhergeht. Ich will Unsicherheit als Teil meines Lebens annehmen. Ich will nicht im Morgen leben, weil ich glaube, ich hätte noch so viel Zeit - ich will das Heute schätzen, für was es ist und das beste daraus machen. Ich will mir darüber bewusst sein, dass alles vergänglich ist, damit ich es nicht für selbstverständlich nehme und schätzen kann - und diese Wertschätzung zum Ausdruck bringen.

Natürlich muss man von bestimmten Annahmen ausgehen, um handeln zu können. Man muss davon ausgehen, dass sich nicht plötzlich immer alles verändert. Aber ich bin dennoch jeden Moment davon überzeugt, dass meine Annahmen nicht stimmen müssen. Dass es sich verändert haben kann. Was mich dazu bringt, handeln zu können und mich nicht die ganze Zeit hilflos herumtreibend zu fühlen ist, dass ich mich darauf verlasse, dass Menschen mir sagen, wenn sich Dinge ändern. Und mich ansonsten eben auf meine Wahrnehmungen und Rückschlüsse verlasse, die ich zugleich immer wieder hinterfrage.

Ich kannte Sicherheit unheimlich lange nicht.
Als female bodied person wird einem Menschen sehr stark verklickert, dass es nicht sicher ist, sich draußen aufzuhalten oder mit Menschen in Kontakt zu kommen. Diese Unsicherheit bleibt noch heute, wenngleich sie sehr klein geworden ist.
Meine Kindheit hat einiges an Trauma enthalten, das noch immer nachwirkt und dazu führt, dass ich damals keine Sicherheit empfunden habe - so, wie ich nicht das Gefühl hatte, ein Zuhause zu haben. Und mich auch heute noch schwer damit tue, mich sicher zu fühlen. Spätere Erfahrungen mit anderen Menschen haben dazu beigetragen, dass es sich vertiefen konnte. Sicherheit war sehr lange ein Luxus, den ich mir nicht leisten konnte.
Was es wirklich schlimm macht, ist, dass ich mich nicht unsicher fühle wegen unbestimmten Bedrohungen von Außen - wie Einbrechern. Sondern, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass es unsicher ist, Menschen nah heran zu lassen. Mich wirklich sicher zu fühlen ist für mich beinahe unmöglich, und ich bin immer wieder erstaunt, wenn es dann doch passiert. Mittlerweile bin ich endlich an dem Punkt, an dem ich nicht mehr davon verschreckt werde und es mir Angst macht. Es ist immer noch ein sehr fragiles Gefühl, aber es kommt vor und kann recht stabil werden. Für jemanden, der keine Sicherheit kennt und sich keiner Illusion von Sicherheit hingeben will jedenfalls.
Sicherheit ist illusorisch, weil sie maximal in dem Moment existieren kann, aber nichts anhaltendes ist. Weil das, was jetzt ist, nicht so bleiben muss und sehr wahrscheinlich auch nicht bleiben wird. Das bedeutet am Ende aber nur, dass man es schätzen sollte, wenn es so ist, anstatt es als gegeben anzunehmen.

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