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Poly ist hart

Vor einigen Wochen habe ich mit meiner (leider nicht mehr) metamour darüber gesprochen, wie hart Polyamorie sein kann. Wobei, ganz so einfach ist es nicht, und es war ein wundervolles Gespräch mit sehr viel Lachen.

Ich weiß nicht mehr genau, wie wir dazu kamen, aber sie meinte im Laufe des Abends zu mir: "Wenn ich gefragt werde, ob poly nicht anstrengend ist, dann antworte ich mittlerweile: Naja - also mir tut der Rücken schon etwas weh am nächsten Morgen, wenn ich die Nacht zwischen zwei Menschen geschlafen hab!" oder etwas, das dem sehr nahe kommt. Und es war großartig - auch, weil wir beide sehr glücklich mit unserem poly-Dasein sind und das einfach vollkommen verstehen können. Und weil sie einfach ein wundervoller Mensch ist, den ich in meinem Leben nicht mehr missen möchte.

Ich hab ihr dann erzählt, was ich viel schlimmer finde - und als wirklich hart in poly Verbindungen empfinde. Und wir haben wirklich sehr viel gelacht diesen Abend, und darüber hinaus beschlossen, dass ich das auch für andere festhalten sollte. Ich hab keine Ahnung, ob ich es schriftlich auch nur ansatzweise so gut rüberbringen kann, wie das an diesem Abend in meinem Hotelzimmer der Fall gewesen ist, auch, weil Schreiben immer eine sehr andere Dynamik hat und gerade hierbei auch Mimik und Gestik wichtig wäre. Aber einen Versuch ist es wert!

Was für mich wirklich schwer ist, sind all die kleinen Dinge. Keeping track of all the little things. Wer seine Paprika lieber gekocht und wer lieber roh mag. Wer welches Obst und Gemüse liebt oder verabscheut. Wer am liebsten wo und wie berührt werden mag (und ich meine nicht die großen Sachen, sondern die winzigen Details - dieser eine perfekte Punkt beim Streicheln, genau der richtige Griff beim Händchen Halten, ...). Die Feinheiten der Mülltrennung.

Beispielsweise werde ich niemals den Blick meiner Partnerin vergessen, als ich sie gefragt habe, ob sie die Tomaten auch haben will. Weil ich dachte, dass nicht, mir aber nicht ganz sicher war - und ihr Blick hat gewirkt, als sei dies das größte Vergehen, dass ich hätte begehen können. Tatsächlich ist das auch kaum verwunderlich, weil diese kleinen Dinge für mich unheimlich wichtig sind und eins der Dinge, die ich immer und überall mache - und damit auch meine Wertschätzung zeige. "Es sind ja nur Tomaten", mag man da sagen. Und das stimmt auch. Aber es zeigt auch, dass ich ans Ende meiner Kapazitäten komme, wenn ich mir solche Dinge nicht mehr einfach merken kann. Ich meine, es ist immer noch meine Partnerin, auch wenn wir diese Situation länger nicht hatten.
So im Nachhinein schüttel ich den Kopf und lache darüber. Aber ich glaube, es hat uns beide doch ganz schön getroffen.

Vieles kommt leicht wieder, wenn die Situation auftaucht. Anderes, wie die Sache mit den Tomaten, muss ich nochmal wieder aufgreifen. Und das ist mir unangenehm bis peinlich, auch wenn ich weiß, dass es vorkommen kann. Gerade weil das Dinge sind, auf die man sich bei mir eigentlich verlassen kann. Weil mir das wichtig ist, diese kleinen Dinge im Kopf zu haben und einfach immer griffbereit zu haben. Aber durch poly ist das langsam wirklich schwierig - auch, weil sehr viele Dinge sehr ähnlich sind und es sich dann nur in den Feinheiten unterscheidet. Je kleiner die Unterschiede, desto schwieriger wird es, mir das zu merken. Und poly verkompliziert das wirklich noch enorm. Auch, weil die typischen markings, um sich solche Dinge zu merken, nämlich, wie viel Nähe man in dem Moment miteinander geteilt hat plus den Zeitpunkt, auch eher uneindeutiger werden.

Was poly (für mich) schwierig macht, sind nicht die typischen Dinge, nicht die großen Dinge. Es ist nicht Eifersucht. Oder schwierige Kommunikation. Oder endlose Gespräche. Kein balancing von Aufmerksamkeit. Nur ein bisschen Zeitmanagement. Für mich glücklicherweise auch keine Konflikte mit metas oder durch Dynamiken, die mich nur peripher betreffen.
Es sind all die winzigen Dinge. Die kleinen Details.

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