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Trennungen

Ich lese immer wieder mal, dass es diesen Glaubenssatz gibt, sich in poly nicht mehr trennen zu müssen. Und jedes Mal wieder sitze ich davor und schüttle den Kopf.
Natürlich hat man in poly weniger das Problem, dass man sich entscheiden muss und kann dann einfach mehrere Menschen haben. Aber es gibt so viele Gründe, sich zu trennen, und nahezu alle anderen bleiben erhalten.

Polyamorie schützt dich nicht vor unterschiedlichen Bedürfnissen oder Ansichten.
Es ist keine Hilfe bei Erwartungen, die nicht zusammen passen.
Inkompatibilität ist ein Thema, das genauso groß ist, wie es in jeder anderen Beziehungsform auch der Fall ist - nichts kann einen davor schützen. Es passiert eben. Manchmal passt es nicht.
Daran hat dann niemand Schuld, und es gibt auch keinen "Bösen". Es hat ja niemand etwas falsch gemacht - aber passen tut es dadurch trotzdem nicht.
Auch durch poly verschwinden nicht plötzlich auf magische Art alle Gründe, sich zu trennen. 

Leider.
Aber auch hier ist es nicht sinnvoll an etwas festzuhalten, dass allen Beteiligten (oder auch nur einem) weh tut, solange es anhält. Und manchmal kommt das vor, auch wenn wir wünschten, dem sei nicht so. Manchmal bleibt das einfach nicht aus, auch wenn es schmerzt und wir nicht hinsehen wollen.
In diesen Momenten ist das einzige, was wir tun können, uns der Wahrheit zu stellen und entsprechend zu handeln. Weil auch hier sonst irgendwann der Punkt kommt, an dem es uns so kaputt gemacht hat, dass wir uns nicht mehr liebevoll und wertschätzend voneinander lösen können. Weil all die Liebe irgendwann in Hass umschlägt, weil, egal, was wir tun, es nichts hilft und am Ende kaum noch etwas übrig ist. Und dann verliert man irgendwann den Blick dafür, warum man das überhaupt getan hat.
Es ist wichtig, ehrlich zu sein. Und sich dann zu trennen, bevor es soweit kommt. Weil alles, was man miteinander geteilt hat, wertvoll ist. Und vielleicht gibt es noch einiges, was man weiterhin miteinander teilen kann - wenn man sich denn früh genug trennt, dass es liebevoll und wertschätzend bleibt. Dass man sehen kann, wie wundervoll der andere Mensch ist - auch wenn es eben nicht passt, um sein Leben auf diese Art mit ihm zu teilen.

Und auch wenn es sich nicht so anfühlt, in diesem Moment.. vielleicht ist gerade die Trennung das, was dafür sorgt, dass man sich am Ende näher ist als zuvor und einander Leben doch miteinander teilen kann, wenn auch ganz anders, als man das zuvor gedacht hat. Denn letztlich hinterlässt sie Chancen.
Die Chance auf Veränderung. Die Chance auf Verbindung. Die Chance, die Liebe zu bewahren. Die Chance auf Erneuerung. Die Chance, sich wieder oder weiter anzunähern.
Das ist nichts, was man leichtfertig vertun sollte, nur aus Angst. Denn letztlich ist es Angst, die dazu führt, dass wir uns nicht trennen wollen. Angst, es sich einzugestehen. Angst, den anderen zu verlieren. Angst, was dann passieren wird. Aber hören wir auf diese Angst, dann wird das früher oder später definitiv passieren.

Menschen sollten aufhören, Angst vor Trennungen zu haben.
Ja, sie sind schmerzhaft. Und ja, auch ich will sie vermeiden und hätte es gern anders. Aber wie hoch ist der Preis, aus Angst nicht zu handeln? Und dann alles zu verlieren - nicht nur die Beziehung, sondern auch den Menschen an sich.

Manchmal sind Trennungen nicht vermeidbar, dagegen hilft kein Beziehungsmodell.
Wichtig ist, dass wir uns dessen annehmen, den Mut zusammen nehmen und das Beste daraus machen - denn dann haben wir die Möglichkeit, am Ende etwas schönes zu erhalten. 

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