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Checkliste für ungesunde Beziehungen

Ich bin mit emotionaler und psychischer Misshandlung aufgewachsen. Das ist ein vollkommen normales Thema für mich, vollkommen normales Verhalten. Es ist noch nicht sehr lange her, dass ich sagen kann, dass ich vermutlich (vorübergehend) abuse aus meinen privaten Beziehungen gebannt habe.
Da abuse für mich aber vollkommen normal war, hat mein Kopf Schutzmechanismen entwickelt, die grundsätzlich immer funktionieren. Hintergrund dafür war, dass der abuse aus meiner Familie kam, ich dem also nie entgehen konnte. Ich musste also andere Wege finden, dem zu entgehen - auch, wenn ich ihm faktisch nicht entgehen konnte.
Das menschliche Hirn ist unheimlich gut darin, solche Dinge zu bewerkstelligen und dafür zu sorgen, dass die eigene Integrität erhalten bleibt, auch wenn es zu sehr hohen Kosten passiert.

In meinem Fall ist es darauf hinausgelaufen, dass ich abuse nicht mehr (direkt) sehen kann, wenn ich selbst davon betroffen bin. Zum einen eben, weil es vollkommen normal ist (naja, mittlerweile eher war), zum anderen, weil mein Schutzmechanismus quasi sofort greift und mich davor schützt.
Es ist ein wenig so, wie bei Black Mirror, mit dem Mädchen, das mit diesem Filter aufwächst. Nur, dass meiner viel subtiler ist und eher über Bewertung läuft und nicht darüber, dass Dinge aktiv herausgefiltert werden. Soll heißen: Ich sehe, dass es passiert, bewerte es aber als normal. Ich fühle die negativen Auswirkungen, kann aber nicht sagen, woher sie kommen, sie nicht an bestimmten Dingen festmachen.

Ich muss also nach diesen Gefühlen und Bedingungen Ausschau halten, um diesen dann zu folgen und Situationen danach zu analysieren. Nicht nach meinen Erlebnissen und Bewertungen, sondern möglichst abgelöst von mir selbst. Mehr versuchen, objektiv auf die Situation zu schauen und sie unabhängig von mir zu bewerten. Niemand kann je wirklich objektiv sein, aber wenn es um die Situation an sich geht, und nicht um mein Erleben, nicht um mich, dann fällt es mir leichter, diese Dinge zu sehen. Die Betonung dabei liegt auf leichter - es ist immer noch nicht leicht und funktioniert auch nicht umfassend. Hinzu kommt, dass gerade Situationen, die ich mir einfach von Außen ansehen kann, viel einfacher danach abzusuchen sind und ich dort sehr viel schneller Anzeichen dafür finde, als wenn ich selbst betroffen bin. Eben weil ich nicht selbst betroffen bin, für diese Dinge mittlerweile aber sehr empfindlich geworden bin. Auch das ist Teil meines Selbstschutzes - aber eben des neuen, nicht des alten.

Um besser für mich zu sorgen und ein neues Selbstschutzsystem zu bauen, habe ich eine Checkliste für mich entwickelt, um zu überprüfen, ob mein altes Schutzsystem greift und  es so zu umgehen, also effektiv dafür zu sorgen, dass ich keine Verbindungen mehr habe, die mir nicht gut tun.

Je nach Punkt und Schwere der Aussage, reicht ein einzelnes Item, um mich davon zu überzeugen, die Beziehung zu beenden, auch ohne nochmal darüber zu sprechen.
Bei anderen werde ich darüber zu sprechen versuchen oder mehr evaluieren. Je mehr Punkte gecheckt werden, desto schneller und eher muss ich aus der Beziehung raus, unabhängig davon, wie sie aussieht - was bedeutet, dass es auch eine komplette Tilgung aus meinem Leben beinhalten kann.

Das ist meine Checkliste, wobei ich davon ausgehe, dass ich items vergessen habe. Ich denke, es ist selbsterklärend, welche Antworten wofür sprechen:

  • Freue ich mich darauf, Zeit mit dem Menschen zu verbringen?
  • Ist die Zeit, die ich mit dem Menschen verbringe, erfüllend?
  • Fühle ich mich schlecht oder unwohl, wenn ich von dem Menschen zurückkomme?
  • Kann ich mich an Dinge erinnern, die mich stören? 
    • Kann ich diese Dinge dem Menschen gegenüber ansprechen?
  • Habe ich Angst, bestimmte Dinge anzusprechen?
    • Warum?
    • Gibt es ein bestimmtes Muster, das immer wieder auftaucht, wenn ich diese Dinge anspreche? 
      • Wie sieht dieses Muster aus? Warum ist es für mich problematisch?
  • Habe ich das Gefühl, dass meine Realität oder meine Erinnerungen in Frage gestellt werden?
  • Hört der Mensch mir wirklich zu? Gibt er sich Mühe, mich zu verstehen?
  • Geht es dem Menschen vor allem um sich und seine Bedürfnisse?
    • Validiert er meine Bedürfnisse, Ängste und Befürchtungen, oder wimmelt er sie nur ab / ist davon genervt / lässt mich damit alleine?
  • Hat der Mensch Erwartungen, Anforderungen oder Wünsche, die ich nicht erfüllen kann oder will?
    • Wie geht er damit um? Wird das Thema aufgebauscht und zu einem Streit? Wird er aggressiv? Werden meine Grenzen missachtet? Werde ich mit meinen Einstellungen, Wünschen etc. niedergemacht oder angegriffen? 
    • Fühle ich mich wohl und sicher, nein zu sagen? Immer?
  • Widerspricht sich der Mensch selbst?
  • Passen Worte und Handlungen zusammen?
  • Was passiert, wenn wir unterschiedliche Erinnerungen haben, wie eine Situation gewesen ist? 
    • Wird meine Sichtweise angenommen und validiert, auch wenn sie anders ist? Reden wir darüber, wie und warum wir unterschiedliche Wahrnehmungen hatten?
    • Gibt es (passiv-)aggressive Kommentare dazu?
    • Wird das einfach abgetan?
    • Wenn das häufiger passiert, wie wird damit umgegangen? 
  • Hinterfrage ich meine Realität, Wahrnehmung oder Gefühle? Vertraue ich mir selbst, oder stelle ich es in Frage?
    • Bringt mich der Mensch dazu, mich zu hinterfragen und mir nicht zu vertrauen?
    • Stellt der Mensch mich, meine Realität, Wahrnehmungen und/oder Gefühle in Frage?
  • Fühle ich mich mit dem Menschen größer oder kleiner?
  • Fühle ich mich in seiner Gegenwart frei, oder achte ich auf jedes Wort, jede Tat?
  • Wird der Mensch regelmäßig laut oder schreit sogar?
    • Ist das gegen mich gerichtet? Gegen andere? Bekomme ich es nur mit?
  • Wirft der Mensch mit Gegenständen?
    • Allgemein? Auf mich? Auf andere? In meiner Gegenwart?
  • Wird der Mensch physisch übergriffig oder sogar gewalttätig?
  • Will der Mensch mich in irgendeiner Form "erziehen"? Blutet kink in den Alltag über, ohne dass das explizit besprochen und gewollt ist?
  • Meint der Mensch (wenigstens manchmal), besser zu wissen, was richtig oder gut für mich ist, als ich? 
    • Handelt er einfach danach?
    • Hört er mich an und respektiert meine Wünsche?
  • Fragt der Mensch nach meinem consent? Geht er sicher, dass er ihn hat? Wie handhabt er Situationen, in denen consent nicht eindeutig ist?
    • Wird angenommen, dass einmal okay = immer okay?
    • Wird es als ja/okay aufgefasst, wenn keine eindeutige Zustimmung kommt?
    • Fühle ich mich wohl, in seiner Nähe leicht bekleidet zu sein, zu schlafen, offen zu sein?
    • Reicht es, wenn kein klares Ja kommt? Reicht ein einfaches Nein? Muss ich mich rechtfertigen/erklären/wehren?
  • Habe ich das Gefühl, ich muss oder sollte etwas tun, möchte es aber gar nicht?
    • Kann ich das ansprechen?
    • Wie reagiert der Mensch darauf? Ist das okay, werde ich respektiert?
  • Habe ich das Gefühl, schreien zu müssen, um mir Gehör zu verschaffen? 
  • Werde ich, meine Erfahrungen oder meine Gefühle klein oder lächerlich gemacht?
  • Bin ich, meine Erfahrungen oder meine Gefühle nervig? Wird sich über meine "issues" aufgeregt oder lustig gemacht? "Stelle ich mich doch nur an?"
  • Gibt der Mensch mir das Gefühl, irgendwie nicht okay zu sein, wie ich bin?
  • Fühle ich mich sicher mit dem Menschen?
    • Immer oder nur teilweise? 
    • Wie reagiert der Mensch darauf, wenn ich ihm das sage/mit ihm darüber reden will? Fühle ich mich dabei sicher? Verstanden?
  • Habe ich das Gefühl, geschätzt zu werden?
  • Muss der Mensch immer wieder "testen", wie weit er gehen kann? Glaubt er mir, was ich für ihn empfinde?
  • Versucht der Mensch, mich oder mein Verhalten schlecht zu machen oder gibt mir das Gefühl, dass ich mich dafür schämen sollte? 
  • Erzählt mir der Mensch von Grenzen, die er in der Situation selbst dann nicht mehr einhalten will, sodass die Verantwortung für diese Grenzen effektiv auf mich verlagert wird? 
  • Wird von mir emotional labor erwartet?
  • Kümmert sich der Mensch selbst um seine Beziehungen oder versucht er (immer wieder?), die Verantwortung und emotional labor an mich oder andere abzuschieben?
  • Werden Vereinbarungen umgeworfen, ohne darüber zu sprechen?
  • Werden unterschiedliche Vereinbarungen verlangt, abhängig davon, ob es um den Menschen selbst oder jemand anderen geht? 
  • Verlangt der Mensch Rücksicht in einer Art, die eher Egoismus ist? Nimmt er dabei keine Rücksicht auf andere? Siehe auch in Rücksicht -- Selbstaufgabe -- Egoismus.
  • Werde ich ernst genommen? Auch mit meinen "issues", Bedenken, Ängsten, Befürchtungen? Oder wird sich darüber lustig gemacht, ggf. sogar provoziert?
  • Werde ich oder werden meine Fähigkeiten gering geschätzt oder sogar abgewertet?

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