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Beziehungen als Bedürfniserfüller?

Ich habe mich vor ein paar Tagen mit einem lieben Menschen über Beziehungen unterhalten. Dieser Mensch meinte, dass Beziehungen in gewisser Weise ja auch Bedürfnisbefriedigung seien.
Dazu kam mir dann gestern noch ein Thread auf Twitter unter, dessen (für mich) zentrale Aussage


mich zu einen Antwort-Thread verleitet hat, in Folge dessen ich noch eine tolle Unterhaltung zu dem Thema hatte. Beides schlägt in die selbe Kerbe und lässt mich nicht so richtig los.

Erstmal ganz deutliche Zustimmung zu der Aussage des Tweets oben. Niemand hat ein Recht darauf, seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Egal von wem oder wie vielen. Beziehungen sind nicht dafür da, meine Bedürfnisse zu erfüllen.
Gleichzeitig funktionieren Beziehungen nur, wenn bestimmte Bedürfnisse zu einem gewissen Maß erfüllt werden - in ihnen oder durch sie. Welche genau das sind, in welchen Kombinationen und wie sehr etc., hängt sehr stark von den Personen ab. Aber auch dann werden meine Bedürfnisse nicht ständig und immer erfüllt, sondern eher so grundlegend.
Nur, weil ich eine (oder mehrere) Beziehung(en) habe, zu der Kuscheln als essentieller Bestandteil dazugehört, bedeutet das nicht, dass ich nie unterkuschelt sein kann. Es bedeutet auch nicht, dass mein*e Partner*in es mir schuldig ist, mit mir zu kuscheln - egal, wie lange das letzte Mal her ist oder wie sehr ich das gerade brauche. Mehr Beziehungen zu haben bedeutet auch nicht, dass ich zwangsläufig mehr gekuschelt werde. Genauso, wie keine Beziehung zu haben, zwangsläufig bedeutet, dass ich weniger oder gar nicht gekuschelt werde.

Das bedeutet nicht, dass ich damit okay sein muss. Wenn kuscheln ein grundlegendes Bedürfnis für mich ist, das ich in jeder Beziehung erfüllt bekommen muss, ist es vollkommen legitim, keine Beziehung zu führen, in der das nicht gegeben ist. Das bedeutet aber nicht, dass ich jemanden dazu zwingen kann, mich zu kuscheln - sondern nur, dass Beziehung mit jemandem, der das nicht kann oder will, nicht funktioniert. Daran ist keiner von uns Schuld, keiner von uns ist ein schlechter Mensch. Wir passen einfach nicht zusammen.

Gleichzeitig müssen nicht alle Bedürfnisse in jeder einzelnen Beziehung erfüllt werden. Oder überhaupt in Beziehung. Manchmal reicht es, wenn ich ein Bedürfnis mit einem Menschen in meinem Leben stillen kann und kann andere Beziehungen dann auch genießen, ohne dass dieses Bedürfnis auch dort gestillt wird. Manchmal funktionieren bestimmte Beziehungen nur, weil ich bestimmte Bedürfnisse mit anderen Menschen erfüllen kann. Das bedeutet nicht, dass ich ein Recht darauf habe, dieses Bedürfnis mit anderen zu stillen. Oder dass ich andere dafür (aus)nutzen kann, dass meine Beziehung funktioniert.

Niemand ist dafür verantwortlich, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden - nur ich selbst. Und ich selbst bin auch in der Verantwortung dafür, wie das passiert. Das bedeutet am Ende auch, dass ich mir genau aussuchen muss, mit wem ich mich umgebe. Und welche Beziehungsform ich leben möchte.
Beziehung als Tauschhandel, als Bedürfniserfüller, ist für mich keine Beziehung. Beziehung entsteht auch aus dem Bedürfnis nach Nähe. Durch (hoffentlich gemeinsam abgesteckte) Rahmen und Grenzen ergibt sich in der Regel auch, dass Bedürfnisse erfüllt werden. Aber das ist nicht der Zweck.

Beziehung ist, in meinem Verständnis, ein sicherer Rahmen, um Bedürfnisse ausdrücken, benennen und explorieren zu können. Beziehung ist nicht dafür da, um sie auch erfüllt zu bekommen. Der Zweck von Beziehungen ist, dass sie mein Leben bereichern. Auf welche Art auch immer - das muss gar nicht an Bedürfnisse geknüpft sein. Es ist schön, wenn das damit auch direkt einhergeht, aber das muss es nicht. Schon gar nicht immer und überall.

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