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(Meine Haltung zu) Feminismus

Bin ich Feministin? Ganz klar, nein.
Finde ich, dass Feminismus scheiße ist? Ganz und gar nicht. Aber.

Und das Aber ist ein großes. Für mich.
Denn Feminismus ist nicht für mich. Gleichzeitig vereinnahmt er mich und respektiert mich damit nicht. Natürlich ist das nicht bei jedem Teil des Feminismus so. Aber so grundsätzlich schon. Mich Feministin zu nennen, würde genau das eben auch tun - mich als Frau vereinnahmen.

Aber von vorn.
Ich bin weiß. Ich bin keine Frau, sondern non-binary.
Gerade weißer Feminismus denkt aber häufig trans Frauen, Sexworker*innen und auch BIPoC nicht mit oder schließt sie sogar aktiv aus. Non-binary Personen werden entweder vereinnahmt oder ausgeschlossen. Menschen, die ihren Lebensweg selbst entscheiden, werden ausgegrenzt oder gar beschuldigt, das Patriarchat zu stützen, wenn es nicht den eigenen Vorstellungen von "Befreiung" entspricht - in der Regel also zu nah an "traditionellen Werten" liegt. Sex positivity wird als Waffe genutzt oder gehört gar nicht oder nur in sehr engen Grenzen dazu. Rassismus, Cissexismus, Ableismus, andere -ismen, Ausgrenzung und Hass gehören oft unreflektiert dazu. Hinweise darauf werden häufig abgeblockt - "Wir können nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen". Anstatt gemeinsam gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen, werden Marginalisierungen maximal verschoben. Die Forderung, eigene Privilegien zu checken, wird häufig nicht auf sich selbst angewandt, oft mit der Begründung, dass man als diskriminierte Person nicht diskriminieren könne.
Vaginas und/oder Klitorides werden als Symbole für den Feminismus, für Frauen, genutzt - und damit nicht nur viele Frauen ausgeschlossen, sondern auch Menschen vereinnahmt, die keine Frauen sind.
Stimmen, Erfahrungen und Kritik von BIPoC werden übergangen, abgeschmettert, silenced, erased. Die Erfahrung der weißen cis Frau wird als universell in den Mittelpunkt gestellt, in der Regel gemeinsam mit Klassismus und Ableismus. Denn natürlich braucht es eine gewisse Bildung, es braucht Status, Geld, einen gesunden Körper, Leistung, um überhaupt relevant zu sein.
Alleinerziehende Mütter, Menschen im ALG II-Bezug, Menschen mit psychischen Krankheiten oder Behinderungen jeglicher Art, neuroatypische Menschen, von Rassismus betroffene Menschen, Sexworker*innen - sie alle sind irrelevant. Ihre Erfahrungen nicht wichtig genug. Und wenn doch, dann nur am Rande. Dann wird über sie gesprochen, anstatt mit ihnen. Es wird für sie gesprochen, anstatt sie selbst sprechen zu lassen.
Dass weißer Feminismus dazu in der Regel auch noch eurozentristisch-kolonial ist, verwundert eigentlich nicht mehr.

Dann gibt es die Fraktion, die sagt, dass es kein Feminismus sei, wenn [bestimmte Gruppe] ausgeschlossen wird. Das Problem mit solchen Aussagen ist aber, dass es zum einen einfach nicht stimmt, denn Feminismus war nie eine einzige, klare, gemeinsame Sache. Zum anderen weist es auch die eigene Verantwortung von sich. Niemand ist davor gefeit. All diese Dinge sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, jede*r hat -ismen und Feindlichkeiten internalisiert. Entsprechende Ströumungen innerhalb des Feminismus auszugrenzen und zu behaupten, das gehöre nicht dazu, bedeutet auch, sich selbst in diesem Zusammenhang nicht zu reflektieren, nicht zu hinterfragen. Es bedeutet, sich damit in den eigenen Reihen nicht zu befassen und damit eben auch, es nicht als Problem anzugehen. Es nicht nur nicht besser zu machen, sondern auch die Hintergründe nicht zu hinterfragen, die Strukturen nicht zu ändern.
Es bedeutet, privilegiert genug zu sein, um sich davon abgrenzen zu können, ohne etwas dagegen tun zu müssen.

Wie gesagt, Feminismus ist nicht inhärent scheiße. Er ist aber problematisch genug, um mich davon zu distanzieren. Und er vereinnahmt mich, ohne mich zu repräsentieren, ohne für mich zu kämpfen.

Für mich ist es wichtig, die Welt auch aus der Perspektive anderer Menschen zu sehen - oder es zumindest zu versuchen. Ihre und meine Kämpfe zusammen zu bringen, um eine bessere Welt für alle zu schaffen, nicht nur die Machtposition aufzuteilen. Ihre Stimmen zu hören und zu amplifizieren. Meine Erfahrungen und Ansichten, mein Weltbild nicht als universell zu sehen und Unterschiede bewusst wahrzunehmen, ohne Wertung. Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und echte Selbstbestimmung hervorzubringen - für jeden Menschen, ohne Wertung, ohne dass es in ein bestimmtes Wertesystem passen oder meinen eigenen Vorstellungen entsprechen muss. Selbstverwirklichung und Sicherheit für alle. Bedingungslos - soweit niemand anderes zu Schaden kommt.

Sowohl Intersektionaler Feminismus als auch Queer-Feminismus machen einige von den genannten Punkten besser. Aber eben nur einige und teilweise ist es auch nicht viel besser.
Meine Ansichten, Einstellungen, struggles und Kämpfe sind diesen beiden Ströumungen des Feminismus aber häufig gar nicht so fern. Entsprechend verstehe ich mich durchaus als ally. Aber eben nicht als Feministin.

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