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Süßigkeiten und Verbindungen

Ich habe irgendwann angefangen, Beziehungen oder auch Verbindungen allgemein mit Süßigkeitentüten zu vergleichen. Diesen weißen Papiertüten, die man früher für 1 DM am Kiosk kaufen konnte.

Dabei ist die Tüte das Label der Verbindung. Eine weiße Tüte ist also eine (romantische) Beziehung.
Die einzelnen Süßigkeiten sind all die Dinge, die zu der Beziehung gehören, die sie zu einer Beziehung machen.

Wenn ich Beziehung sage, dann gehören für mich bestimmte Dinge ganz sicher dazu. Ich habe Erwartungen daran, was das bedeutet und gehe in der Regel davon aus, dass das für andere auch so oder wenigstens ähnlich ist.
Ähnlich, wie wenn ich den Kiosk gehe und mir dort eine bereits gefüllte Tüte hole. Wenn ich immer im gleichen Kiosk bin, dann weiß ich nach einiger Zeit, was da so drin ist und was ich zu erwarten habe. Ich gehe davon aus, dass das im nächsten Kiosk auch so ist, weil ich das ja so kennen gelernt habe und am Ende verkauft er ja das selbe - eine weiße Papiertüte mit Süßigkeiten. Darin sind viele Dinge, die ich schon kenne. Die meisten davon mag ich, sonst würde ich mir das nicht kaufen. Ein paar, die ich vielleicht nicht kenne. Ein paar, die nicht so geil sind, aber immer noch okay. Und möglicherweise auch was, das ich gar nicht leiden kann, gar nicht haben will. Sehr sicher sind aber Dinge drin, die ich nicht erwartet habe oder von denen ich nicht mal wusste, dass es das überhaupt gibt.
So ist das mit Beziehungen auch. Wenn ich mich mit jemandem nur darauf einige, dass wir jetzt in einer Beziehung sind, ist nicht klar, was der andere damit meint und ob wir die gleichen Erwartungen haben. Das ist etwas, das ich erst dann entdecke, wenn ich über die unerwartete bzw. unbekannte Sache stolpere. In der Regel ist das unschön, tut oft höllisch weh - und da wir nicht darüber gesprochen haben, weil wir davon ausgegangen sind, dass das schon klar ist, explodiert es häufig auch extrem. Manchmal hat man Glück und es passt und funktioniert - aber das kann man vorher nicht wirklich wissen.

Jetzt kann ich aber auch in einen Kiosk gehen und mir die Tüte mit den Dingen füllen lassen, die ich mag. Das ist mehr Aufwand und braucht mehr Nachdenken. Am Ende hab ich dann aber nur Dinge in der Tüte, die ich mag. Es gibt keine unerwarteten Überraschungen, die ich möglicherweise auch richtig scheiße finde. Das schöne ist auch, dass ich diese Tüte immer anders zusammen stellen kann, je nach Bedürfnis.
Bei Beziehungen würde das bedeuten, dass, wenn wir uns entscheiden, in Beziehung miteinander zu sein, dass wir dann auch darüber reden, was das für uns bedeutet. Was wir erwarten und was für uns damit verbunden ist. Welche Grenzen wir haben, was für uns wichtig ist.
Das bedeutet auch, dass wir die Tüte gemeinsam füllen, mit Dingen, die wir beide mögen. Kann sein, dass wir entscheiden, dass es sich nicht lohnt, weil es zu wenig Dinge gibt, die wir beide mögen. Oder weil es Dinge gibt, die ich unbedingt will und du kannst sie aber so gar nicht ausstehen, nicht mal in der gleichen Tüte, weil es sich doch auch auf den Rest in der Tüte auswirkt. Oder du willst etwas unbedingt und mir wird bei dem Gedanken daran schon schlecht. Es gibt sicher auch Dinge, die du haben willst, die ich nicht mag, mit denen ich aber kein Problem habe, wenn sie auch in der Tüte sind und anders herum. Wichtig ist, dass wir darüber sprechen und uns einig sind. Dass es für uns beide funktioniert und wir beide mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Es ist auch sinnvoll, das regelmäßig zu überprüfen, um zu sehen, ob sich etwas geändert hat, und nicht einfach davon auszugehen, dass es immer gleich bleibt. Einer von uns will vielleicht mal etwas neues ausprobieren oder mag etwas von den alten Dingen nicht mehr.
Das kann ich dann einfach auf Alleingang ändern und hoffen, dass das schon alles funktionieren wird. Oder mein*e Partner*in schon nichts davon merkt. Aber das ist weder ethisch, noch ist es wahrscheinlich, dass das auf längere Sicht erfolgreich funktioniert. Stattdessen sollte ich darüber mit meine*r Partner*in sprechen und gemeinsam sehen, ob wir eine Lösung finden, die für uns beide funktioniert, mit der wir uns beide wohl fühlen.

Wie ich Verbindungen handhabe, ist noch ein Schritt weiter. Nicht im Sinne von fortschrittlicher, sondern nur in dem Bild weitergeführt.
Was ich nämlich am liebsten mache ist, mit dem Menschen in einen großen Süßigkeitenladen gehen, in dem offene Behälter mit all den möglichen Zutaten stehen und uns gegenseitig mit den Dingen füttern, die wir beide interessant finden. Wenn wir genug haben, verlassen wir den Laden und gehen unserer eigenen Wege. Wir lassen also effektiv die Papiertüte, also das Label, weg und teilen so lange die Dinge miteinander, die wir jetzt gerade miteinander teilen wollen. Vielleicht nehmen wir ein paar von den Süßigkeiten für den Weg mit. Oder wir machen ein neues Treffen aus. Oder wir machen irgendwann spontan ein neues Treffen aus.
Vielleicht entscheiden wir uns irgendwann, dass so eine Papiertüte doch ganz schön wäre und füllen sie gemeinsam. Vielleicht hat sie auch eine andere Farbe oder eine andere Größe, als die, die man im Kiosk bekommt.
Und immer, wenn wir uns treffen, schauen wir, ob uns der Inhalt in der Form, Menge und Kombination noch gefällt oder ob wir lieber etwas ändern wollen. Erzählen uns von den Dingen, die wir vielleicht wo anders entdeckt haben oder welche anderen Kombinationen wir gerade auch toll finden. Nicht, weil sich das auf unsere Tüte auswirken muss, sondern weil wir es schön finden, den anderen teilhaben zu lassen. Manchmal ergibt sich daraus vielleicht sogar, dass wir das auch ausprobieren wollen, aber darum geht es gar nicht. Wir müssen nicht alles miteinander teilen, aber freuen uns an der Freude des anderen.
Manchmal kippen wir die Tüte vielleicht sogar aus und sortieren raus, was wir nicht mehr haben wollen und füllen vielleicht auch neue Dinge hinzu. Am Ende entspricht sie aber immer möglichst genau dem, was wir gerade beide mögen oder mit dem wir zumindest okay sind. Von Außen sieht das vielleicht komisch aus. Manchmal erwarten andere ganz andere Dinge als die, die in unserer Tüte sind. Manchmal denken sie an eine weiße Tüte, obwohl unsere vielleicht bunt ist. Manchmal hören sie uns zu, wie wir von dem anderen erzählen und wie wir Süßigkeiten geteilt haben und denken dabei an eine Süßigkeitentüte aus ihrem bekannten Kiosk. Aber wir beide, wir wissen, was in unserer Tüte ist, wie groß und wie voll sie ist, was drin ist. Und das ist das, was wichtig ist.

Manchmal weiß ich gar nicht, dass es nicht nur den einen Kiosk gibt, in dem ich immer meine bunte Tüte kaufe, dann weiß ich auch nicht, dass sie nicht immer gleich sind bzw. sich auch nicht immer im gleichen Spektrum bewegen. Oder dass sie andere Farben oder Größen haben können. Dann kann ich mich natürlich auch nicht entscheiden, welche Möglichkeit für mich passend ist. Oder was ich überhaupt in meiner bunten Tüte haben will - dann gibt es nur Süßigkeiten in genau der Form oder gar keine Süßigkeiten. Das ist problematisch und führt schnell zu Problemen. Aber sobald ich mich entschieden habe, mich entscheiden kann, kann ich bei dem bleiben, was für mich gut passt und mir Menschen suchen, die das auch so handhaben (wollen).

Ich mag das Bild, weil es so vielseitig ist. Weil es schön bildlich zeigt, wie es funktionieren kann. Und auch, dass nichts davon inhärent besser oder schlechter ist. Manche Menschen finden eines davon besser als die anderen. Aber wenn es funktioniert, ist es doch gut. Die Wahl zu haben ist einfach wichtig - zu wissen, dass es auch anders geht. Und dann Menschen zu finden, die dazu passen.

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