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Die 5 Sprachen der Entschuldigung

Multiamory hat schon 2017 eine Episode über die 5 Sprachen der Entschuldigung herausgebracht, in der sie Dr. Gary Chapman zitieren bzw. zusammenfassen. Ich fand die Episode sehr hilfreich, weil sie die Kategorien und ihre Unterschiede gut herausarbeitet und Beispiele gibt. Hier also eine ausdrückliche Empfehlung dafür. Beide Ressourcen sind allerdings auf Englisch und der Test fragt nach binärem Geschlecht, obwohl das nicht nötig ist. Es gibt die Möglichkeit, es nicht beantworten zu wollen, aber toll ist das dennoch nicht.

Die 5 Sprachen der Entschuldigung sind, ähnlich wie die 5 Sprachen der Liebe, eine Kategorisierung, um sich bewusst zu machen, welche Arten des Ausdrucks wir selbst besser sprechen und verstehen können und dass das nicht für alle Menschen gleich ist.

Ich finde diese Art der Konzeptualisierung unheimlich hilfreich, auch weil sie zu mehr Bewusstsein über mich selbst, aber auch meine Mitmenschen führt. Das bedeutet, dass ich Dinge leichter erkennen und schätzen kann, auch wenn ich sie vielleicht nicht verstehe. Für mich ist das sehr wertvoll, auch weil das Kommunikation sehr erleichtert.

Im Falle der Entschuldigung kommt es also darauf an, wie wir ausdrücken, dass es uns leid tut. Und wie wir Entschuldigungen von anderen auch wirklich als solche verstehen. Dabei geht es nicht um #nopologies, sondern um tatsächliche, ehrliche Entschuldigungen, die auch gut in Worte gefasst werden. Wir können uns auf unterschiedliche Art tatsächlich und ernsthaft entschuldigen, aber nicht jede*r wird das auch so verstehen und annehmen können, einfach, weil wir unterschiedlich sind und die gleichen Worte unterschiedlich auffassen, je nachdem, was uns wichtig ist.

Die 5 Sprachen haben alle gemein, dass es sich um eine aufrichtige Entschuldigung handelt. Dass ich also mein Handeln, die Situation oder die Konsequenzen ehrlich bereue und es in Zukunft anders/besser machen will. Der Unterschied liegt tatsächlich in der Art und Weise, wie das kommuniziert wird und welche Aspekte davon stärker gewichtet werden.

Chapman benennt die 5 Sprachen folgendermaßen:
1. Wiedergutmachung (Make Restitution)
Zum einen geht es darum, zu erklären, wie es zu der Situation kommen konnte, ohne mich zu rechtfertigen. Und zum anderen darum, zu schauen, wie ich Fehlverhalten oder auch Unfälle wieder gutmacht kann. Das kann also ein spezifisches Angebot sein (die Reinigung übernehmen, einen Ersatz anbieten). Aber es kann auch sein, einfach zu fragen, was ich tun kann. Dazu gehört auch, klar zu sagen, was das für die Zukunft bedeutet, wie ich weiter damit umgehen will. Also letztlich die Bereitschaft, Aufwand zu treiben, um die Situation zu verbessern oder den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, soweit das geht.

2. Um Vergebung bitten (Request Forgiveness)
Der Fokus hierbei liegt auf der Beziehung, die ich zu meinem Gegenüber habe und auszudrücken, dass diese wichtig für mich ist. Ich frage, ob mein Gegenüber mir verzeihen kann, um zu sehen, ob unsere Beziehung noch funktioniert bzw. funktionieren kann. Wichtig hierbei ist, dass wirklich klar wird, dass ich es nicht einfordern kann und will. Es ist also eine ehrliche Frage, "Nein" eine legitime Antwort. Ich bringe effektiv zum Ausdruck, dass mir bewusst ist, dass mein Verhalten unsere Beziehung (potentiell) in ihren Grundfesten erschüttert hat und, auch wenn sie weiterbesteht, es möglich ist, dass sie sich grundlegend ändert. Gleichzeitig ist wichtig, zu verstehen, dass Vergebung ein Prozess ist und nichts, das einfach gegeben werden kann. Weil Vergebung aber auch oft erzwungen wird, gerade unter Familienmitgliedern, kann dieser Aspekt sehr komplex zu navigieren sein.

3. Verantwortung übernehmen (Accept Responsibility)
Ich bin verantwortlich für meine Entscheidungen und mein Handeln. Es geht darum, die Verletzung anzuerkennen, die ich verursacht habe - unabhängig davon, was meine Intention war. Das bedeutet auch, klar zu benennen, wo ich meine Fehler sehe und ggf. sogar, warum das problematisch (gewesen) ist. Das bedeutet auch, zu signalisieren, dass ich verstanden habe, warum mein Gegenüber verletzt ist und wie es dazu gekommen ist. Mich also als aktiven Part zu erkennen, Kausalität anzuerkennen. "Ich habe das getan" anstatt "Das ist mir passiert".
Hierbei ist wichtig, darauf zu achten, dass es nicht abrutscht in den Versuch, nur einen Teil der Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig geht es natürlich auch nicht darum, die volle Schuld auf sich zu nehmen. Verantwortung und Schuld sind unterschiedliche Dinge, das darf dabei nicht vergessen werden. Und häufig ist Schuld auch nicht hilfreich, schon gar nicht zielführend. Das ist aber ein Thema für ein anderes Mal.

4. Ehrliche Reue / "Buße tun"[1] (Genuinely Repent)
Ehrliche Reue bedeutet, dass ich nicht nur Reue empfinde, erwischt worden zu sein oder jemandem weh getan zu haben, sondern auch gewillt bin, mein tatsächliches Verhalten zu ändern. Ich erkenne also an, dass mein Verhalten grundsätzlich problematisch ist und verpflichte mich dazu, dieses und mich zu ändern. Es geht also darum, zu sagen, dass ich es ändern werde - und am besten auch darzulegen, wie ich gedenke, das zu tun. Es ist der Ausdruck meines Willens, langfristig etwas zu ändern und spezifische Schritte einzuleiten. Hierzu kann auch gehören, mein Gegenüber darum zu bitten, mich dabei zu unterstützen. Auch hier ist wichtig, dass "Nein" eine legitime Antwort ist und das auch deutlich wird - effektiv bürde ich ansonsten meinem Gegenüber emotionale Arbeit auf, die in erster Linie meine eigene ist. Gleichzeitig kann es verdeutlichen, dass es mir wirklich ernst ist und ich es nicht nur einfach so sage.

5. Ausdruck von Bedauern (Expressing Regret)
Hierbei geht es vor allem darum, auszudrücken, dass ich mir wünsche, in der Zeit zurückzugehen und es anders zu machen. Also effektiv den Schmerz oder die negativen Gefühle meines Gegenübers anzuerkennen und auszudrücken, dass ich nicht nur die negativen Effekte selbst bereue, sondern auch die tatsächliche Handlung, die diesen Effekt hervorgebracht hat. Wenn ich könnte, würde ich es sofort ändern - was auch bedeutet, dass, wenn ich nochmal in der gleichen oder einen ähnlichen Situation bin, ich anders handeln werde.

Was bedeutet das für mich?
Ich habe den Test gemacht, nachdem ich die Episode gehört habe und hatte schon beim Hören einige Gedanken dazu, wo ich mich verorten würde. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass es ein so sehr eindeutiges Ergebnis geben würde.

Mein Platz 1 mit 55% ist tatsächlich Verantwortung übernehmen. Ich habe zwar erwartet, dass das für mich die wichtigste ist, aber nicht unbedingt, dass sie so viel Vorsprung hat.
Wenn ich eine Entschuldigung bekomme, dann möchte ich, dass mein Gegenüber verstanden hat, was das Problem ist. Das hat damit zu tun, dass ich selbst verstanden werden will, aber auch mit Validation. Ich funktioniere sehr stark über Logik, erkläre mir Dinge, will Hintergründe erfassen. Wenn jemand sich bei mir entschuldigt, aber die Hintergründe nicht begreift, dann verstehe ich nicht, wofür sich dieser Mensch entschuldigt. Oder wie Mensch sich dafür überhaupt entschuldigen kann. Für mich fühlt es sich an, als ginge es dann nur um den Effekt. Es ist vergleichbar mit Vereinbarungen. Ich kann mich an die tatsächlichen Vereinbarungen halten, ohne verstanden zu haben, worum es geht. Ohne die Hintergründe zu kennen, kann ich aber bestimmte Situationen nicht gut einschätzen, mich also nicht so gut an die Vereinbarung halten. Immerhin können nicht alle möglichen Szenarien bedacht werden. Um also in unvorhergesehenen Situationen in der Lage zu sein, im Sinne der Vereinbarung zu handeln, muss ich die Hintergründe verstanden haben. Wenn ich also nicht das Gefühl habe, dass mein Gegenüber verstanden hat, wo das Problem ist und warum es problematisch ist, kann ich die Entschuldigung auch nicht ernst nehmen. Wie kann ich mich für etwas entschuldigen, das ich nicht verstehe? So kann ich mich maximal für den Effekt entschuldigen, den es hatte, nicht das Ding an sich.
Mir ist also wichtig, dass verstanden wurde, worum es mir geht. Und das führt in Verbindung mit einer ehrlichen Entschuldigung auch dazu, dass ich mich und mein Erleben validiert fühle.
Tatsächlich ist mir dabei auch wichtig, dass keine Verantwortung für Dinge übernommen wird, die nicht in der eigenen Verantwortung liegen. Dann kann ich die Person nicht mehr ernst nehmen. Je nachdem, wie das passiert, fühle ich mich entweder verarscht oder jegliche Augenhöhe geht verloren. In beiden Fällen ist es für mich quasi unmöglich, eine tiefere Verbindung zu haben.
Wenn ich eine Entschuldigung gebe, drücke ich eben auch aus, dass ich verstanden habe, wo das Problem ist und warum. Damit will ich vermitteln, dass ich den Standpunkt meines Gegenübers nicht nur wahrnehme, sondern auch verstehe. (Nur) Meinen Anteil auszudrücken bedeutet auch, auf Augenhöhe zu bleiben und Respekt zu zeigen. Es hat aber auch mit Selbstachtung zu tun und damit, meine eigenen Grenzen zu achten, was gerade vor meinem Trauma-Hintergrund sehr wichtig ist. Nur die Verantwortung zu übernehmen, die meine ist, bedeutet für mich also auch, dass es mit meinem Gegenüber sicher genug ist, das zu tun und mich selbst so verletzlich zu machen. Selbst, wenn wir vielleicht nicht übereinstimmen.
Mir ist wichtig, auszudrücken, dass mir klar ist, dass ich das aktiv herbeigeführt habe, selbst wenn das nicht meine Absicht war. Meine Intention ist am Ende unwichtig. Gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Ich kann und will nicht unbedingt garantieren, dass es nicht wieder vorkommt. Ich kann aber verstehen, warum es passiert ist, warum es problematisch ist und dann sehen, dass ich die Hintergründe verstehe, um zu entscheiden, wie ich damit in Zukunft umgehen will. Und entsprechend auch, wie und was ich das nächste Mal besser machen kann. Gerade auch in Hinblick darauf, dass ich trotzdem meine eigenen Entscheidungen treffen will und auf meine Grenzen achte. 

Mit 40% ist Platz 2 der Ausdruck von Bedauern
Tatsächlich ist das aber sehr stark situationsabhängig. Wo Verantwortung übernehmen immer funktioniert und wichtig ist, ist Ausdruck von Bedauern nur in spezifischen Situationen wirksam. Oft fühlt es sich für mich respektlos an. Wir können nicht in der Zeit zurückgehen und es ungeschehen machen. Das auszudrücken hilft mir gerade nicht weiter. In manchen Situationen fühlt es sich aber dennoch passend an, weil es über die reine Anerkennung von Verantwortlichkeit hinausgeht. Hier geht es nicht um das logische Verständnis der Situation und ihrer Hintergründe, sondern um die Anerkennung des tatsächlichen Schmerzes, der dabei entstanden ist. Und ich denke, das ist es auch: Für mich funktioniert es nur, wenn es zu physischen oder emotionalen Schmerzen gekommen ist. Und auch dann nur, wenn die Handlung selbst problematisch war.
Wenn ich eine Entschuldigung bekomme, kann ich das nur annehmen, wenn mir tatsächliche Schmerzen zugefügt wurden. Ich kann das Bedürfnis verstehen, im Nachhinein meine Schmerzen verhindern zu wollen. Das ist nicht möglich, aber der dahinterliegende Gedanke leuchtet mir ein. "Ich bedauere, dass du leidest" ergibt Sinn für mich. Das rückgängig machen zu wollen, ebenfalls. Zwar geht das auch nicht besser, als mit anderen Situationen. Aber Schmerzen lassen sich eben auch nicht wieder gutmachen. Unversehrtheit lässt sich nicht wiederherstellen. Dinge können ggf. ersetzt werden, aber Verletzungen sind da, bleiben oft auch ein Leben lang. Auch wenn mir das also in der Situation genauso wenig hilft, wie wenn mein Gegenüber gerade etwas kaputt gemacht hat, kann ich das dahinterliegende Bedürfnis verstehen und schätzen. Weil es auch eine Anerkennung der Tatsache ist, dass es nicht behoben werden kann - außer mit Zeit und auch dann oft nur bedingt. Bei allem anderen hilft es mir nicht, wenn mir gesagt wird, dass Mensch es gerne rückgängig machen würde. Die Situation ist passiert, der Schaden angerichtet. Es wird nicht besser dadurch, ändert nichts. Davon kann ich mir nichts kaufen, davon geht es mir nicht besser, davon ist es nicht wieder gut. Es fühlt sich an, als würde das eigentliche Problem nicht adressiert, sondern nur mit Floskeln um sich geworfen. "Ich wünschte, ich hätte deine Lieblingstasse nicht runtergeworfen" hilft mir einfach nicht. Was soll ich damit? Sie ist jetzt kaputt, wird davon nicht wieder heile. "Ich wünschte, ich hätte besser zugehört" führt auch nicht dazu, dass ich mich gesehen fühle, vermittelt mir nicht, dass ich wichtig bin. Hier fehlt mir Verantwortung. Es fühlt sich an, als sei es damit getan - das ist es aber nicht. Das macht es nicht magisch wieder gut. "Ich wünschte, ich wäre eine bessere Mutter gewesen" funktioniert dagegen, weil es Verantwortung übernimmt und auch anerkennt, dass es dafür jetzt zu spät ist. Das macht es auch nicht besser, hilft mir nicht. Aber es validiert mein Erleben, erkennt meine Gefühle und mein Erleben an. Es drückt auch aus, dass es abgeschlossen ist und nicht mehr wirklich zu ändern. Ich denke, Teil dessen, warum das für mich so funktioniert ist auch, dass es eine Grundlage bildet, um eine weitere Beziehung überhaupt möglich zu machen. 
Wenn ich eine Entschuldigung gebe, nutze ich den Ausdruck des Bedauerns nur dann, wenn ich der Überzeugung bin, dass mein Verhalten grundsätzlich falsch gewesen ist. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es unverzeihlich sein muss, aber es muss schwerwiegend und nicht einfach zu beheben sein. Da ist nicht nur irgendwas schiefgegangen oder unglücklich gelaufen, es sind nicht nur Teile der Situation mein Verschulden. Stattdessen muss ich mich grundlegend scheiße verhalten haben. Das bedeutet auch, dass ich davon ausgehe, die Beziehung grundlegend beschädigt zu haben. Ich gehe also nicht unbedingt davon aus, dass es danach wieder okay ist. Das zu sagen bedeutet, dass ich den verursachten Schmerz nicht nur sehe und bedaure, sondern auch anerkenne und volle Verantwortung dafür übernehme. Dass ich verstanden habe, wo ich Scheiße gebaut habe und dass ich das nicht mehr ändern kann. Dass ich es nicht wiedergutmachen kann, sondern nur sehen, dass ich ein besserer Mensch werde. Und das ganz unabhängig davon, ob unsere Beziehung das Ganze übersteht oder nicht.

Der dritte Platz ist mit 5% fast zu vernachlässigen. Ehrliche Reue oder Buße tun ist durchaus wichtig. Sich selbst verpflichten, Dinge zu ändern und das auch zum Ausdruck zu bringen, ist gut. Allerdings ist das für mich mehr eine interne Sache.
Wenn ich eine Entschuldigung bekomme, dann will ich nicht, dass sich mein Gegenüber in die zentrale Rolle stellt. Ich will nicht, dass sich die Entschuldigung um mein Gegenüber dreht. Eine Entschuldigung, die an mich gerichtet ist, sollte auch mich im Zentrum haben. Das bedeutet nicht, dass mir egal ist, wie der Mensch sich zu bessern gedenkt, oder dass das unnötig wäre. Aber ich will nicht die emotionale Arbeit leisten müssen, die damit einher geht. Ich will nicht das Gefühl haben, dass ich dem Menschen noch auf die Schulter klopfen muss, weil Mensch so gute Arbeit leistet. Es ist Arbeit, die nötig ist und gemacht werden sollte. Aber ich will dafür keine Kekse verteilen und auch nicht verantwortlich gemacht werden. Das kann ggf. im Anschluss an eine Entschuldigung passieren, je nachdem, wie nah wir uns sind (und dafür müssen wir uns wirklich nah sein, denn, wie gesagt, es ist einiges an emotionaler Arbeit). Aber ich will, dass Mensch bereit ist, diese Arbeit alleine zu machen. Wenn mir gesagt wird, wie Mensch sich ändern will, dann hab ich das Gefühl, ich solle das absegnen und es ginge nicht um mich und meine Bedürfnisse. Wenn Mensch sich bei mir entschuldigen will/muss, dann bedeutet das in der Regel, dass Mensch vorher schon nicht oder zu wenig an mich und meine Bedürfnisse gedacht hat. Das sollte in der Entschuldigung dann nicht nochmal passieren. In vielen Fällen betrifft mich das auch gar nicht und hat mit der aktuellen Situation nichts oder nur wenig zu tun.
Wo ich das dagegen zu schätzen weiß ist in Verbindung mit dem Ausdruck von Bedauern. Wenn mein Gegenüber verstanden hat, dass das Verhalten grundsätzlich nicht okay ist und wir weiterhin in Beziehung zueinander bleiben wollen und können, dann will ich durchaus auch wissen, wie Mensch gedenkt, ein besserer Mensch zu werden. Dennoch will ich nicht um aktive Hilfe gebeten werden, weil es nicht meine Verantwortung ist, dass Mensch sich bessert. Wenn wir uns wirklich sehr nahe stehen, gebe ich vielleicht Hinweise, aber eben nur, wenn ich das für richtig halte und kann.
Wenn ich eine Entschuldigung gebe, mache ich diesen Teil in der Regel mit mir selbst aus. Bzw. kommt das darauf an, wie wir über die Sache reden. Oft ergibt sich im Gespräch, ob Mensch das gerne wissen möchte oder nicht. Wenn es nicht klar erwünscht ist, dann arbeite ich das allein aus. Alleine darüber zu sprechen führt oft dazu, dass emotionale Arbeit geleistet wird, die ich niemandem aufbürden möchte. Wenn das aber für mein Gegenüber wichtig ist, dann ist das durchaus auch etwas, das ich in jeder Situation anbieten kann, weil ich mir selbst für mich immer Gedanken mache, wie ich mit ähnlichen Situationen in Zukunft umgehen will. Hierzu gehört für mich auch, auszuarbeiten, wie wir unsere Bedürfnisse in diesem Rahmen zusammenbringen können. 

Wiedergutmachung hat in meinem Test 0% bekommen.
Persönlich würde ich es nicht als vollkommen ineffektiv bezeichnen. Allerdings denke ich grundsätzlich schon, dass Dinge nicht einfach wieder gutzumachen sind. Für Dinge kann unter Umständen Ersatz geschaffen werden. Dreck kann beseitigt werden. Bei weniger materiellen Dingen ist es aber schon deutlich schwieriger bis unmöglich. Und bei den meisten materiellen Dingen hängt auch immaterielles mit dran, und wenn es nur entstandener Stress ist oder ähnliches. Darüber hinaus geht mit Wiedergutmachungen oft auch die Erwartung auf Vergebung einher, was ich problematisch finde.
Wenn ich eine Entschuldigung bekomme, ist eine Wiedergutmachung bei materiellen Dingen gut. Aber das funktioniert eben immer nur bei rein materiellen Dingen für mich. Das bedeutet, dass diese Art der Entschuldigung für mich auch besser funktioniert, wenn wir keine nennenswerte Beziehung zueinander haben. Aber dann verzichte ich oft lieber darauf, weil auch das wieder Aufwand und damit in der Regel Stress bedeutet. Als Beispiel: Wenn ein*e Fremde*r mir Rotwein über die Kleidung kippt und anbietet, die Rechnung zu übernehmen, ist das eine gute Geste. Wir kennen uns nicht, Mensch übernimmt Verantwortung und versucht, das beste aus der Situation zu machen. Wenn Mensch mir jetzt aber nicht direkt Bargeld in die Hand drückt, das auf jeden Fall ausreicht, müssten wir Kontaktdaten austauschen und ich hätte zusätzlichen Aufwand damit. Es ist außerdem unklar, ob eine Reinigung wirklich funktioniert. Was ist, wenn nicht? Bietet Mensch an, es neu zu kaufen, muss ich das Teil neu kaufen gehen. Das ist an sich schon Stress. Vielleicht gibt es das Teil aber auch gar nicht mehr. Was dann? Es macht für mich also weniger Aufwand und damit weniger Stress, das einfach nicht zu tun. Gleichzeitig ändert das auch nichts an der Situation jetzt. Ich bin nämlich irgendwo in der Öffentlichkeit, habe vermutlich keine Wechselkleidung dabei, aber noch was vor. Das Angebot der Reinigung hilft mir gerade nicht, damit kann ich jetzt und hier nichts anfangen. Ich habe jetzt also Stress, will eigentlich nur aus der Situation raus und nach Hause, mir ist das alles zu viel. Diesen Teil der Situation kann ohnehin niemand wieder gutmachen. Das ist einfach unmöglich.
Je näher mein Gegenüber mir steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass ich Wiedergutmachung annehme(n kann). Bei größeren Dingen noch eher, als bei kleineren. In der Regel aber eben nur bei materiellen Dingen. Wenn wir uns sehr nah stehen, vielleicht auch bei immateriellen Dingen, dann aber auf andere Art und Weise. Und dann ist es in der Regel auch eher Wertschätzung. So hab ich beispielsweise dieses Jahr einen Kuchen bekommen, weil ich meiner Freundin bei einer Sache geholfen habe, das verloren gegangen ist und ich es nochmal gemacht habe. Das kann funktionieren und ich schätze das auch sehr. Aber eben als Wertschätzung. Als etwas, das nach der Entschuldigung kommt. Also quasi eine Konsequenz aus der Entschuldigung, nicht die Entschuldigung selbst.
Auch hier ist emotionale Arbeit wieder ein Thema. Wenn Wiedergutmachung, dann ist mir wichtig, dass mein Gegenüber zumindest einen Vorschlag macht, anstatt mich einfach zu fragen, was Mensch tun kann. Denn entweder, die Situation ist wirklich schlimm für mich, dann kann ich gar nicht sagen, was ich brauche oder mir wünschen würde, weil ich dafür keine Kapazitäten habe. Oder die Frage überfordert mich, weil ich keine Ahnung hab, wie Mensch es wieder gutmachen könnte. Auf einen Vorschlag kann ich reagieren. Auf eine offene Frage hin muss ich mir Gedanken machen und eine Antwort finden, die emotionale Arbeit liegt also ganz bei mir. Es fühlt sich an, als würde Mensch es sich damit verdammt leicht machen. "Ich hab's ja angeboten, der Rest liegt bei dir", was ich persönlich ziemlich scheiße finde. In seltenen Situationen habe ich eine Idee, aber das kann ich auch sagen, wenn mir ein Vorschlag gemacht wurde.
Wenn ich das Gefühl habe, dass Mensch sich Vergebung erkaufen will, gerade, wenn keine grundsätzliche Entschuldigung erfolgt, empfinde ich das tatsächlich als respektlos. Dann führt die (in der Regel gut gemeinte) Geste dazu, dass ich mich abgewertet fühle und es die Situation noch verschlimmert.
Allerdings finde ich es unter bestimmten Umständen schwierig und gedankenlos, kein Angebot für Entschädigung zu bekommen. Gerade, wenn Mensch etwas kaputt gemacht hat, das mir gehört und mir wichtig ist. Das hat zum einen finanzielle Hintergründe - ich kann mir Ersatz nicht unbedingt leisten. Zum anderen hat es auch mit Respekt für mich und meine Habseligkeiten zu tun - ich besitze wenig, das ich nicht auch wirklich haben will. Das zu verlieren ist in der Regel ein herber Verlust, auch wenn einges davon sich vielleicht auch nicht ersetzen lässt.
Wenn ich eine Entschuldigung gebe, dann ist Wiedergutmachung, wenn überhaupt, ein extra Punkt nach der Entschuldigung. Ich glaube nicht, dass ich etwas wieder gutmachen kann, weil das nichts daran ändert, dass es passiert ist. Das ist für mich auch keine Absolution[2] oder ähnliches, was oft mitschwingt, sondern ein Zusatz zu meiner Entschuldigung. Ich weiß, dass es manche Dinge leichter machen kann, aber dass das Problem dadurch nicht weg ist. Tatsächlich können dadurch noch weitere Probleme entstehen, die vielleicht noch nerviger sind. Deswegen bleibe ich dabei lieber bei konkreten Angeboten, als eine bestimmte Möglichkeit einfach umzusetzen. Selbst anbieten tue ich Wiedergutmachung in der Regel nur für materielle Dinge, weil ich nicht davon ausgehe, dass ich irgendetwas anderes wieder gutmachen kann. Wenn das erwünscht ist, bin ich dafür grundsätzlich offen, würde von mir aus aber eher nicht auf die Idee kommen.
Es kann sein, dass der Vorfall mehr oder weniger Anlass für den Ausdruck genereller Wertschätzung ist - dafür müssen wir uns aber wirklich sehr nahe stehen und ich muss wissen, dass das positiv aufgenommen wird. Und auch dann bleibt es ein Zusatz, ein Extra und kein Teil meiner Entschuldigung. Auch hier erwarte ich nicht, dass einfach alles wieder gut ist, obwohl es unwahrscheinlich ist, dass ich das tue, wenn es noch nicht geklärt ist.

Als letztes hat auch um Vergebung bitten 0% bekommen.
Ich finde nicht, dass es angemessen ist, um Vergebung zu bitten. Klar kann ich hoffen, dass mir vergeben wird. Aber darum zu bitten fühlt sich ein bisschen so an, als könnte ich das einfach entscheiden und auf Knopfdruck tun. Vergebung ist aber etwas, das oft Zeit und auch Arbeit braucht. Ich finde auch, dass Vergebung für die*n Vergebende*n ist und nicht für die*n, der*m vergeben wird. Und wenn es um die Beziehung geht, dann fühlt sich das auch sehr nach indirekter Kommunikation an. Anstatt zu fragen "Wo stehen wir jetzt? Was bedeutet das für uns(ere Beziehung)?", wird nur um Vergebung gebeten.
Dazu kommt, dass ich persönlich auch von verschiedenen Seiten immer wieder gehört habe, dass ich meinen Eltern doch vergeben müsste. Mehr Größe zeigen sollte. Das führt nicht unbedingt dazu, dass Vergebung ein gutes Konzept für mich ist, zumindest, wenn es von Außen kommt. Ich mache das in meinem eigenen Tempo, für mich, unabhängig von meinem Gegenüber. 
Wenn ich eine Entschuldigung bekomme, will ich nicht um Vergebung gebeten werden. Auch das stellt mein Gegenüber wieder in den Mittelpunkt und es fällt mir schwer, zu erkennen, dass das nicht so gemeint ist. In der Regel fühlt es sich für mich wie Drängen an oder, alternativ, unehrlich, weil es eben nicht die Frage ist, die eigentlich dahinter steht: Was bedeutet das Ganze für uns? Mich um Vergebung zu bitten ist außerdem wieder ein Abschieben der emotionalen Arbeit an mich, denn ich soll etwas tun. Für mich fühlt es sich auch so an, als sei es damit getan, dass ich vergebe, ohne dass mein Gegenüber Verantwortung übernehmen müsste. Eine schnelle, einfache Lösung, um aus der Situation herauszukommen. Ich weiß, dass das in der Regel nicht so gemeint ist, kann das aber nicht verstehen. Es kommt einfach nicht so an, selbst, wenn ich versuche, mir das klarzumachen. 
Wenn ich eine Entschuldigung gebe, ist um Vergebung bitten einfach kein Teil davon. Ob Mensch mir vergeben kann oder nicht, kann nur Mensch selbst entscheiden. Wenn ich wissen will, wo wir nun stehen, dann frage ich danach. Aber auch das nicht als Teil der Entschuldigung selbst, sondern im Anschluss daran. Letztlich also dann, wenn wir darüber sprechen, wie es nun weitergehen kann.


Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ich mich im Entschuldigung geben besser auf andere Menschen einstellen kann, als wenn ich Entschuldigungen bekomme. Verantwortung zu übernehmen, ist mir unglaublich wichtig. In bestimmten Situationen ist Reue zeigen und Bedauern ausdrücken sinnvoll, aber nur mit viel Fingerspitzengefühl. Wiedergutmachung funktioniert in meinen Augen nicht, ist als Zusatz zu einer Entschuldigung aber angemessen und teilweise auch wichtig. Um Vergebung bitten führt bei mir eher zum Gegenteil dessen, was beabsichtigt ist. Grundsätzlich mag ich es nicht, das Gefühl zu haben, dass emotionale Arbeit auf mich abgewälzt oder von mir erwartet wird. Und eine Entschuldigung sollte sich nicht um die*n Gebende*n drehen, sondern die Person, die sie bekommt.

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[1] Dr. Chapman benutzt wohl tatsächlich relativ viel christliche Ausdrücke, daher habe ich den christlichen Begriff übernommen. Auch, weil damit klarer wird, was gemeint ist. Gleichzeitig finde ich schwierig, die Kategorie so zu benennen, eben weil es dadurch sehr stark christliche Werte vermittelt, das Konzept selbst aber auch ohne christlichen Hintergrund bestehen kann. 

[2] Auch Absolution ist ein christlich geprägtes Wort, das mir nicht zusagt. Ich weiß aber tatsächlich nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Gemeint ist, dass ich es damit nicht als vergeben und vergessen ansehe. Es ist damit nicht getan oder fertig. Ich bin weiterhin in der Verantwortung, will mir keine Vergebung "erkaufen". 

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