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Meine Pronomen (Update)

Vor fast 4 Jahren habe ich schon einmal über Pronomen geschrieben. Damals stand ich noch ganz am Anfang meiner Transition, war noch unsicher, wohin sich das entwickelt. Oder wer ich eigentlich bin. Selbst mein Coming Out war noch nicht wirklich abzusehen. Es waren die ersten Schritte zu Erkenntnis.

Mittlerweile hatte ich mein Coming Out.
Genderqueer, genderfluid non-binary trans masc.
Ich habe einen neuen Namen.
Seit einem guten Jahr bin ich auf HRT.
Und bald werde ich meine Mastektomie haben.
In short, meine Transition ist mittlerweile ganz gut vorangeschritten. Und ich fühle mich wohl mit mir, heimischer in meinem Körper. Und auch wohler damit, Platz einzunehmen. Sichtbar zu sein. Mehr zu kämpfen.
Und vor allem habe ich festgestellt, dass meine Ablehnung von "Mann" vor allem an toxischer Männlichkeit, insbesondere cisheteroweißer Männlichkeit liegt. Weil ich damit zu viele negative Erfahrungen gemacht habe, und einfach sehr eindeutig nicht so sein will.
Je mehr Eindrücke ich von anderer Männlichkeit bekommen habe, allen voran queerer Männlichkeit, desto mehr habe ich mich selbst gesehen. Fühlte mich plötzlich gesehen, verstanden, wusste, wo ich hin wollte.
Einer von so vielen Gründen, warum Sichtbarkeit so wichtig ist.

Wie zu erwarten, hat das auch meine Einstellung zu Pronomen stark verändert.
Im Englischen bin ich bei they/them geblieben, habe aber zusätzlich auch noch fae/faer dazu genommen. Ich bin also mittlerweile doch bei Neopronomen angekommen.

Im Deutschen habe ich mich jetzt für er/ihn entschieden und dazu noch vii/vii genommen, wobei letzteres nur selten für mich verwendet wird, wenn ich es mitbekomme. 

Es wird also deutlich, dass sich v.a. meine Einstellungen zu er/ihn und Neopronomen sehr stark geändert haben. Vermutlich auch, weil ich einfach viel mehr in Kontakt damit gekommen bin, sie sehr viel natürlicher geworden sind. Aber zu einem sehr großen Teil auch, weil ich in meiner Trauma-Heilung deutlich weitergekommen bin und es mir nicht mehr so viel ausmacht, meinen Platz erkämpfen zu müssen. Ihn mir zu erstreiten.
Im Gegenteil. Ich bin nicht länger gewillt, mich für andere kleiner zu machen und weniger Raum einzunehmen. Natürlich bleibt das Gefühl, dass meine Sprache keinen Platz für mich hat. Und dass das ein Gefühl ist, das mich schon mein Leben lang begleitet - keinen Platz zu haben. Nicht dazu zu gehören. Nicht gewollt zu sein. Allerdings bin ich nicht länger gewillt, mich passend zu machen. Oder nur die Teile von mir zu zeigen, die irgendwie noch halbwegs vertretbar sind.

Fuck that.
Ich darf Raum einnehmen. Und wenn er nicht zur Verfügung gestellt wird, darf ich ihn mir nehmen. Dafür kämpfen. Das ist Teil von meinem Heilungsprozess, und highly empowering. Ich darf ich sein, überall, immer, no matter what.
Und es ist richtig cool, hier angekommen zu sein. Ich habe endlich das Gefühl, wirklich gesehen zu werden. Und es macht viel leichter, mit anderen in Kontakt zu gehen. Wirklich präsent zu sein.

Tatsächlich bin ich auch sehr glücklich darüber, dass sich die Ängste zum größten Teil nicht bewahrheitet haben. Meine Partner*innen sind geblieben, auch die, die Angst hatten, dass sich doch viel verändern würde, es nicht mehr passen könnte.
Natürlich habe ich Menschen verloren oder auch rausgeschmissen, weil sie nicht gut damit umgegangen sind, teilweise auch transfeindlich waren. Aber das ist die Minderheit gewesen, was mir auch zeigt, wie gut ich meine Menschen mittlerweile ausgewählt habe.
Außerdem ist es schön zu sehen, wie viele Menschen um mich herum jetzt selbst mehr Mut haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sich selbst zu finden. Es wärmt mein Herz.
Und Pronomen sind Teil davon.
Sichtbarkeit ist einfach wirklich wichtig.

Rückblickend ist es spannend, wie viel ich vor fast 4 Jahren schon geglaubt habe, verstanden zu haben. Wie wenig das im Vergleich zu heute ist.
Und ein Teil von mir fragt sich, wie viel mehr ich in weiteren 4 Jahren verstanden haben werde, wie viel sich noch einmal geändert haben wird. Welche Pronomen ich dann nutzen werde. Aber da ist keine Angst mehr, nur noch Neugierde.
Es ist spannend zu sehen, wie viel Identität ich mittlerweile daraus ziehe, dass ich trans bin - einfach, weil ich es nicht mehr negiere.
Es ist auch spannend, wie sich die Wahrnehmung meiner Person bei meinen nahen Menschen geändert hat - sowohl jenen, die schon sehr lange in meinem Leben sind, als auch jenen, die neu dazu gekommen sind. Dass ich jetzt seit einiger Zeit, zum Teil schon seit fast 3 Jahren (also lange vor Beginn der HRT), wirklich als ich wahrgenommen werde und Teile meines Körpers gar nicht mehr existieren in den Köpfen meiner lieben Menschen, oder harte Dissonanz auslösen, ist unheimlich validierend. Und etwas, das enorm gegen Dysphorie hilft - sicherlich auch, weil ich fast gar nicht mit Menschen in Kontakt komme, die mir nicht nahe stehen. Dauerhaft krank zu sein muss ja auch Vorteile haben, I guess.

Alles in allem kann ich nur sagen, dass ich meinem Umfeld unheimlich dankbar bin. Für all die Liebe, die Validation, die Unterstützung.
Und ich liebe es, so sehr eingebettet in queere Community zu sein, so viele andere trans und non-binary Menschen um mich herum zu haben, die ich auf ihrer Reise begleiten darf, mich mit ihnen freuen darf. Und gleichzeitig so viele Menschen um mich zu haben, cis und trans, die sich mit mir freuen, mich unterstützen, und mich lieben.
Es wird leichter. Und it's worth it.

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